Nach der WM 2023, wo ich die Qualifikation nicht geschafft hab, hab ich mir die Hand gebrochen und war dann mit OP und Reha zwei, drei Monate komplett raus. Das war für mich ein Wendepunkt im letzten Jahr, weil ich so die Zeit hatte nochmal abzuschalten und Energie zu schöpfen. Ich konnte über alles nachdenken, und das hat mich einfach richtig motiviert.
Danach habe ich im Winter sehr viel trainiert, sprich viele Stunden auf dem Wasser verbracht. Wenn die Wettkämpfe anfangen, dann musst du mental einfach ready sein und das Wichtigste schon geleistet haben. Wir wollten sicher in die Wettkämpfe reingehen und dann auch die Zeit und den Kopf dafür haben, an den kleinen Sachen zu feilen. Die wichtigen Sachen wie Foils testen, sicher wenden oder auch nach meiner Verletzung wieder aufzuholen, das wollten wir alles fertig haben, bevor die Saison richtig losgeht. Wir hatten ja Anfang Februar schon die WM, da ging es ja eigentlich schon um alles. Ich wollte auf keinen Fall in den Last Chance Event, das war für mich die Horrorvorstellung. Da braucht man so viel Glück, in einem einzigen Rennen kann man dort den Olympiaplatz verlieren. Deswegen war es mir sehr wichtig, dass ich den Nationenplatz vorher sicher hab, und das war auch der größte Stress für mich im ganzen Jahr eigentlich.
Ein weiterer großer Faktor, der mir geholfen hat, waren die letzten vier Kilo, die ich noch zugenommen habe. Das hat mich einfach so viel schneller, wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger gemacht gegenüber den ganzen anderen Mädchen. Ich bin immer noch viel zu leicht, immer noch zehn Kilo weniger als alle anderen. Aber je leichter man ist, desto mehr zählt jeder Kilo, weil du erstmal irgendwie das Segel geschlossen halten muss.
Ja, auf jeden Fall, das wäre mein Traum, dass das Segel kleiner wird. Ich glaube, dass es besser und gesünder für alle Jugendlichen und Frauen wäre. Ich verstehe nicht, dass es hingenommen wird, dass wir unnatürlich schwer sein müssten, am besten 85 Kilo, das kann es einfach nicht sein. Seit den Spielen hab ich ein bisschen abgenommen, wieder normal gegessen und bin nicht so viel ins Gym gegangen, und man merkt sofort, wie die Haut und der ganze Körper viel gesünder ist. Das geht allen so, alle sehen wieder ein bisschen gesünder aus, auch von den Gesichtszügen her. Ich find's unglaublich, einer 16- oder 17-Jährigen zu erklären, sie müsse jetzt 74 Kilo wiegen. Ich bin 22 und kann da vielleicht mental inzwischen ein bisschen besser mit umgehen, aber wenn man jünger ist, dann ist es für eine Frau eine ganz andere Geschichte als für einen Mann.
Ich verstehe nicht, dass es hingenommen wird, dass wir unnatürlich schwer sein müssen.
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Ich hab einen Mental-Coach, mit der ich viel gearbeitet habe im letzten Jahr. Vor allem daran, mit Stress umzugehen und das richtige Mindset zu haben, wenn man in eine Regatta oder auch in ein Medal Race hineingeht. Das ist ein sehr großer Faktor, den jeder Sportler haben sollte, denke ich.
Es ist auf jeden Fall was komplett anderes, weil wir alle im Olympischen Dorf wohnen, uns Zimmer teilen, mit anderen Leuten zusammen essen. Das ist alles in einem großen Saal und da hast du keine Privatsphäre. Das ist eine große Challenge, weil du Teil des Teams bist und dich ans Team halten musst. Der Verband schickt dich zu Terminen und Meetings, auch wenn es gerade bei dir gar nicht passt. Das war für mich schon sehr anstrengend, auch mit Leuten zusammenzuarbeiten, von denen man vier Jahre lang überhaupt nichts gesehen hat. Auch auf einmal mit deinen ganzen Konkurrenten in diesem Dorf zu wohnen und sie immer beim Frühstücken und Abendessen zu sehen, war ungewohnt. Normalerweise siehst du die auf dem Wasser und das wars. Bei mir war zum Glück die Erwartungshaltung nicht so groß, ich war kein Favorit, deswegen hab ich das eigentlich ganz entspannt gesehen und konnte es auch genießen. Man muss sich immer dran erinnern, dass du das für dich selber machst und für niemand anderen. Nicht für den Verband, auch nicht für deine Eltern oder so. Du bist die, die das Resultat abliefert, und da muss man dann auch mal egoistisch sein und deutlich sagen, was man braucht oder was gerade nervt.
Man muss sich immer dran erinnern, dass du das für dich selber machst und für niemand anderen.
Also es gibt Nationen, die sich sehr viel helfen, wo auch die Coaches viel Austausch haben. Aber ich glaub Basti und ich sind sehr verschieden, auch von den Persönlichkeiten. Ich hab mich eher mit meinem Freund ausgetauscht, der war ja auch bei Olympia dabei (Nicolo Renna, Anm. d. Red.), oder auch mit meiner Trainingspartnerin Marta Magetti, die Gold gewonnen hat. Denen vertraue ich, mit denen arbeite ich das ganze Jahr zusammen. Basti und ich hatten zwei komplett getrennte Kampagnen, da gibt es kaum Berührungspunkte.
Nach dem Wettkämpfen bin ich erstmal nach Hause gefahren, hab meinen ganzes Gepäck dort abgestellt und bin dann nach Paris geflogen. Dort war ich im Olympischen Dorf, hatte auch ein paar Termine und habe mir auch die Closing Ceremonie angeschaut. Das ist eine komplett andere Welt verglichen zu Marseille.
Ja, ich hab viel zu viele Sachen! Ich bin gerade erst wieder zuhause und muss erstmal anfangen, meine ganzen Taschen auszupacken. Ich habe so viele Sachen bekommen, einige schenke ich auch meinen Freunden. Das Leibchen häng ich mir irgendwo auf, weil es ein sehr schönes Erinnerungsstück ist.
Mir fallen jeden Tag 20.000 Dinge ein, die ich machen kann!”
Es gibt viele Olympioniken, die nach den Spielen gar nicht mehr wissen, was sie machen sollen und in ein Loch fallen oder und eine Depressionsphase erleiden, weil auf einmal nichts mehr Sinn macht. Aber mir fallen jeden Tag 20.000 Dinge ein, die ich machen kann. Nach den Spielen war ich auf Mauritius in der Welle surfen, jetzt mache ich gerade meinen Bachelor. Mir macht das Leben gerade mega Spaß, einfach zu genießen und die Zeit zu haben, machen zu können, was ich will. Ich bin froh, dass ich gerade ein bisschen Abstand habe und freue ich mich auch wieder aufs Training, aber ich habe auch noch andere Sachen im Leben, die mich erfüllen.
Das ist ein großes Thema bei uns, wir sind die einzige Klasse, wo du von Platz 10 auf Platz 1 fahren kannst. Für mich als Top 15- oder Top 10-Fahrerin ist es natürlich eine große Chance, weil ich noch nicht konstant in die Top 3 fahren kann. So wusste ich, wir müssen die Top Ten schaffen, und dann ist die Medaillenchance da. Aber für die Top-Athleten ist es ein sehr krasses Format, es gibt immer mehr traurige Leute als glücklichere Leute, weil so viele ihr Ranking verlieren in den Medal Races. Das traurigste Beispiel ist ja Emma (Wilson aus Großbritannien, Red.), sie hat über die letzten Jahre noch nie Gold gewonnen, obwohl sie so oft als Erste ins Medal Race reingegangen ist. Sie hat da eine mentale Blockade oder einfach ein Trauma, normalerweise ist sie immer zwei Knoten schneller als wir alle. Natürlich freut man sich viel mehr, wenn die Menschen die Medaille gewinnen, die es wirklich verdienen und die die ganze Woche geführt haben. Für die Zuschauer und die Medien ist es natürlich super und leicht nachzuvollziehen, aber generell finde ich das Format auch nicht ideal.
Es gibt immer mehr traurige Leute als glücklichere Leute.”
Auf jeden Fall spielt die Erfahrung eine recht große Rolle. Alle Jüngeren, die da vorne dabei sind, waren auch schon in der Jugendszene sehr erfolgreich. Diese Komponente, dass du lernst, ein Race anzuführen, und dass du das Selbstvertrauen hast und weißt “Ich kann meinen ersten Platz auch ins Ziel fahren”, das ist sehr wichtig.
Sonst wird man nervös und verliert alles auf den letzten Metern, weil du es nicht gewohnt bist, da vorne dabei zu sein. Ich würde sagen, jeder der jetzt vorne steht, der hatte in seiner Jugend so goldene Momente. Ich hab da von meiner Sparringspartnerin Marta viel gelernt, ich durfte bei denen mittrainieren, als ich noch echt gefährlich auf dem Kurs unterwegs war. Die ganzen Israelis, die werden mit guten Ergebnissen schon in der Jugend ausgewählt und dürfen dann Windsurfen, anstatt zum Militär zu gehen. Ich hatte das Glück, dass die Klasse ganz neu war, aber ich hab davor im Segeln viel Erfahrung gesammelt, seit ich sieben Jahre alt bin. Deswegen hab ich auch dieses Wettkampf-Brain.
Meine große Stärke ist glaube ich die Taktik, auch ich wenn das im iQFoil am Anfang kaum einsetzen konnte, weil ich den Speed überhaupt nicht hatte und erstmal die Basics von Windsurfen lernen musste. Aber mit der Zeit wurde das immer besser, vor allem am Meer, mit Wellen und Strömungen und Winddrehern, wo du auch mal deinen Kopf anschalten und nicht nur blöd in eine Ecke ballern musst.
Ich sag immer, mein Traum war es nie, bei Olympia dabei zu sein. 90% der Sportler dort wollten das schon immer und es ist ihr Lebenstraum, das ist bei mir nicht so. Schon früher beim Segeln hab mir gedacht, für sowas mein Leben aufzugeben, das mache ich nicht, niemals nur für Olympia. Ich hab mit dem Surfen angefangen, weil meine Familie viel surft, und dann fand ich das Gefühl so cool, dass ich gedacht hab „Ich will das jeden Tag machen“. Olympia hatte ich da gar nicht auf dem Schirm, das hätte ja auch niemand ernst genommen. Aber nach einem Jahr hab ich gesehen, dass ich mich schnell verbessere und dass ich auch Leute schlagen kann, die schon 20 Jahre lang surfen, meine Resultate sind immer besser geworden. Ich bin sehr ehrgeizig und messe mich sehr viel mit anderen Leuten. Und so hab ich mir daraus eine Challenge gemacht und mir gesagt, ich will das schaffen. Olympia war dabei nie der Lebenstraum, aber auf jeden Fall ein Ziel auf meinem Weg.
Olympia war nie der Lebenstraum, aber auf jeden Fall ein Ziel auf meinem Weg.”
Am Anfang hab ich immer gedacht, Slalom ist ja auch ganz cool, aber ich mag es nicht, halbe Sachen zu machen. Just for fun probiere ich auch mal andere Sachen aus, Wingfoilen, Slalom surfen, auch Skifahren, aber das mache ich dann eher um Spaß zu haben. Natürlich kommt immer wieder mein Wettkampfgeist ein bisschen durch, dann will ich schneller sein oder etwas besser können als die anderen. Aber professionell will ich mich auf jeden Fall nur auf iQFoil konzentrieren.
Mit dem Wingen hab ich erst vor Kurzem angefangen, aber das lernt man schnell, wenn man schon Foilen kann. Ich find das in der Welle lange nicht so schwer wie Windsurfing in der Welle, weil du einfach durchfoilst. Und beim Wave-Windsurfen bin ich jetzt nach den zwei, drei Wochen auf Mauritius einigermaßen sicher unterwegs, das ist aber jetzt nicht meine Stärke. Ich find's einfach mega cool in der Welle unterwegs zu sein, die Wellen zu genießen und einen Adrenalinkick zu bekommen.
Ich war zuvor zwei Jahre lang nicht auf der Finne, aber ich gehe manchmal gerne raus um „mehr Windsurfer“ zu werden. Ich kann zum Beispiel auf Slalom-Material keine gute Halse, aber ich versuche es trotzdem. Ich glaube, je mehr Boardsportarten du machst, desto besser wird das Gefühl auch für deine Hauptdisziplin.
Ich möchte auf jeden Fall versuchen, mich für LA zu qualifizieren und noch mal eine Olympia-Kampagne durchzuziehen. Mein Ziel ist schon, die nächsten Jahre so weiterzumachen. Bei der EM, die jetzt auf Sardinien läuft, bin ich leider nicht dabei, weil ich erstmal meine Grundausbildung bei der Bundeswehr beenden muss. Anschließend möchte ich dann erstmal meinen Bachelor abschließen, um auch bildungstechnisch gut aufgestellt zu sein. Aber wenn ich damit fertig bin, möchte ich wieder voll durchstarten, da ist das Ziel ganz klar Olympia 2028!
Das Ziel ist ganz klar Olympia 2028!”
Die Starts sind einfach sehr wichtig, weil der Start dein Race entscheidet, da zählt vor allem die Einschätzung von Zeit und Distanz. Das eigene Gewicht hat auch immer eine hohe Priorität. Und wenn jetzt ein neues Segel kommt, dann müssen wir das Material praktisch neu kennenzulernen. Da gibt es eh immer was zu tun und andere Settings auszuprobieren. Ich hab immer ein bisschen mehr Arbeit als alle anderen am Material, was mir an Gewicht fehlt muss ich mit mehr Arbeit ausgleichen, weil bei mir jeder Millimeter einen Unterschied macht.
Grundsätzlich gehe ich gerne ins Gym und arbeite an meiner Fitness. Die letzten Monate war das zwar richtig hart, aber generell macht es mir Spaß, einen Fortschritt im Körper zu sehen und zu spüren, dass man stärker wird. Was mir nicht so Spaß macht ist die Arbeit am Material, ich bin kein Technikfreak wie die Jungs, die sperren sich tagelang in die Garage ein und messen ihre Foils. Aber da habe ich jemanden, der mir hilft!