Tourensurfen“Das erste Mal offshore – das war einschüchternd!” Marinus Tambo & Alfred Dixen im Interview

Manuel Vogel

 · 26.10.2024

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Foto: Peter Brøgger
Marinus Tambo und Alfred Dixen surften in nur 13 Tagen fast 1700 Kilometer rund um Dänemark. Ein Interview über Langschläge auf hoher See, wackelige Generalproben und Restaurantbesuche im Neo.

Ihr seid vor einigen Tagen von eurer Dänemark-Umrundung zurückgekehrt. Wie sehr stecken euch die Strapazen noch in den Knochen?

Marinus: Die letzten beiden Tage waren besonders anstrengend aufgrund des starken Windes, wir waren komplett überpowert. Aber nach zwei Tagen war es wieder gut. Wir haben auch schon während des Trips darauf geachtet, uns genügend zu erholen. Die Tage sind im Oktober in Dänemark ja schon recht kurz, die Nächte dementsprechend lang. Da hatten wir jede Nacht neun, zehn Stunden Schlaf (lacht).

Lass uns mal zurückblicken auf die Anfänge. Wer hatte die Idee?

Alfred: (Lacht) Die Idee kam uns vor einem Jahr nachdem Caspar Steinfath, ein bekannter dänischer SUP-Paddler, im Jahr 2022 einen Trip rund um Dänemark gemacht hatte. Einmal um Dänemark mit dem Windsurfer, das hatte noch niemand gemacht. Marinus und ich haben eingeschlagen und beschlossen, dass wir das im Herbst 2024, im Anschluss an die iQFoil Weltmeisterschaften angehen.

surf/052a1202_ccb03d17318017ee6a464f957e7c0d1cFoto: Peter Brøgger

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Dass ihr das auf Foil-Boards macht, war naheliegend, oder? Oder war ein Finnenboard eine Option?

Marinus: Nein, als iQFoil-Surfer sind wir natürlich auf dem Foilboard zuhause und wussten, dass wir viel bessere Winkel zum Wind fahren können als auf der Finne. Außerdem wollten wir, im Gegensatz zu Caspar Steinfath, um ganz Dänemark. Da gehört auch Bornholm dazu und diese Insel liegt bekanntlich ziemlich weit vom Festland entfernt. Es begann als fixe Idee in unseren Köpfen und wurde dann immer konkreter. Ich glaube, weil wir so viele Scherze darüber gemacht haben, haben viele Leute in unserem Freundeskreis nicht geglaubt, dass wird das durchziehen. Und unsere Eltern dachten, dass wir nach ein paar Tagen wieder zuhause angekrochen kommen, weil die Offshore-Routen zu hart oder unsere Schlafsäcke im dänischen Herbst durchgeweicht waren (lacht).

Warum habt ihr das überhaupt für den Herbst geplant? Der Oktober kann hier im Norden schon ziemlich unangenehm sein?

Alfred: Es gab andere Termine davor und danach, die in die Quere kamen. Außerdem ist es zu dieser Jahreszeit eigentlich immer windig. Das hat sich bestätigt - von 13 Tagen unterwegs hatten wir nur zwei Tage ohne Wind an denen wir nicht voran gekommen sind. Und die Temperaturen sind noch ok, das Wasser hat ja noch 14 Grad.

Was gegen das Foilboard spricht, ist das Gepäck. Auf einem Longboard mit Finne kann man das einfach aufschnallen, auf einem Foilboard bringt es die komplette Balance durcheinander...

Marinus: (Lacht) Wir haben eine Generalprobe zur Insel Samso gemacht. Die Rucksack-Variante war zu unkomfortabel, also haben wir das Gepäck aufs Heck geschnallt. Auch das war super frustrierend, weil es die Hälfte der Zeit hinten im Wasser hing und sich anfühlte wie eine Tonne Seegras am Foil (lacht). Wir wussten, dass wir da eine bessere Lösung brauchten - das Problem war, dass das schon kurz vor unserer geplanten Abreise war. Ein befreundeter Bootsbauer bot an, uns zu helfen und hat uns aus Carbon eine Art Gepäckträger fürs Heck gebaut. Daran haben wir dann in den letzten Tagen nonstop gebastelt.

Ein befreundeter Bootsbauer bot an, uns zu helfen und hat uns aus Carbon eine Art Gepäckträger fürs Heck gebaut.
Das Gepäck wurde auf einem speziellen Träger am Heck transportiertFoto: PrivatDas Gepäck wurde auf einem speziellen Träger am Heck transportiert

Hattet ihr überhaupt noch Zeit, die Konstruktion auszuprobieren?

Alfred: Das war eine lustige Geschichte (lacht). Das dänische Fernsehen hatte uns kontaktiert, die wollten zwei Tage vor Abfahrt einen TV-Beitrag filmen, für den wir mit dem gesamten Gepäck foilen sollten. Das Problem war, dass wir unsere Konstruktion noch nicht ausprobiert hatten. Es stellte sich heraus, dass das Fahrverhalten des Boards durch das Zusatzgepäck ziemlich beeinflusst wurde und sich das Board viel träger steuern ließ.

Marinus: Wir haben einen ziemlichen Schlingerkurs hingelegt und einfach nur versucht, halbwegs geradeaus zu fahren und bloß keine Halsen zu machen (lacht). Wer von Windsurfen keine Ahnung hat, hat dies im Beitrag vermutlich nicht bemerkt, aber unsere Freunde haben ziemlich gelacht.

Wie viel Gepäck hattet ihr überhaupt dabei?

Marinus: Jeder hatte so rund 8,5 Kilo Gepäck, also nur das nötigste. Zelt, Kocher, Schlafsack, aufblasbare Matratze und einmal Klamotten, dazu Wollunterwäsche und Jacke.

Alfred: Zusätzlich hatten wir eine Powerbank und Trockennahrung und eine kleine Kamera.

Jeder hatte so rund 8,5 Kilo Gepäck dabei, also nur das Nötigste.

Wir oft habt ihr tatsächlich am Strand genächtigt?

Marinus: Der Plan war, das wir alles dabei haben, um zwei Tage überleben können und ansonsten uns irgendwo mit Lebensmitteln eindecken. An den meisten Tagen sind wir tatsächlich einfach irgendwo angelandet, haben den besten Platz für unser Zelt gesucht, alles aufgebaut und sind früh ins Bett.

Alfred: Wir waren überrascht, wie viele Leute uns kontaktiert haben und anboten, in ihrem Sommerhaus zu übernachten, aber das haben wir tatsächlich nur zwei Mal gemacht. Unsere Idee war, jeden Tag so lange wie möglich zu surfen und morgens wieder zeitig zu starten. Um 6:00 Uhr hat der Wecker geklingelt, weil wir im Schnitt zwei Stunden gebraucht haben, alles abzubauen und wieder auf den Boards zu verstauen.

Im Oktober sind die Nächte in Dänemark bereits langFoto: PrivatIm Oktober sind die Nächte in Dänemark bereits lang

Ihr habt 1400 Kilometer in nicht mal zwei Wochen abgerissen. Wie viele Stunden wart ihr täglich auf dem Wasser?

Marinus: Luftlinie war unsere Route 1400 lang, gesurft sind wir genau genommen 1648 Kilometer. An zwei Tagen war Flaute, da mussten wir pausieren, die Strecke haben wir also in elf Tagen geschafft, meist waren wir sieben bis acht Stunden auf dem Wasser. Unser Tagesrekord waren 224 Kilometer. Das geht aber nur, wenn du nicht zu sehr pusht und mit nicht mit absolutem Topspeed unterwegs bist. Erstaunlicherweise war unser Cruising-Speed dann gar nicht so weit von den Geschwindigkeiten entfernt, die wir im Rennen fahren. Die Regel war, dass wir eine Stunde vor dem Dunkelwerden an Land gingen, um etwas Puffer zu haben - falls mal was schief geht.

Das bringt uns zum Thema Sicherheit. Wie ward ihr hier aufgestellt?

Alfred: Wir hatten Garmin GPS-Tracker mit einem SOS-Knopf, das wäre aber die letzte Ausfahrt gewesen. Zusätzlich hatten wir Signalfackeln und Walkie Talkies, mit denen wir uns untereinander verständigen konnten. Wir haben schon darauf geachtet, immer in Sichtweite zu bleiben, denn die Reichweite der Walkie Talkies war begrenzt. Gleich am ersten Tag haben wir das gemerkt: Wenn jeder von uns auf entgegengesetztem Kurs startete und zwei Minuten foilte, konnten wir uns per Walkie Talkie schon nicht mehr erreichen.

Foilequipment ist sensibel und man kann nicht fast 1700 Kilometer surfen, ohne zu crashen. Wie hat euer Material das durchgehalten?

Marinus: Natürlich sind Stürze immer mal wieder passiert. Gleich am zweiten Tag hab ich eine Segellatte gebrochen. Die hab ich dann repariert, indem ich eine Zahnbürste in die Tubelatte geschoben und mit Tape fixiert habe. Das hat bis zum Ende gehalten.

Gleich am zweiten Tag hab ich eine Segellatte gebrochen. Die hab ich dann repariert, indem ich eine Zahnbürste in die Tubelatte geschoben und mit Tape fixiert habe.
Genauso anstrengend wie Starkwind - Dümpeln bei LeichtwindFoto: PrivatGenauso anstrengend wie Starkwind - Dümpeln bei Leichtwind

Aber Alfred musste bis zum Schluss deinen Mundgeruch ertragen...

Marinus: (Lacht) Nein, zum Glück war es nicht meine eigene Zahnbürste.

Was waren rückblickend die größten Challenges auf der Reise?

Marinus: Eine Herausforderung war sicher die Umrundung von Bornholm, beziehungsweise der Weg zurück. Unser erster Startversuch endete in der Flaute und wir mussten vor der steilen und sehr felsigen Nordküste zurück paddeln und die ganze Ausrüstung durch die Gegend schleppen.

Alfred: Aufzubrechen und am Abend wieder genau dort zu stehen, wo man Stunden zuvor gestartet war, das war für mich mental der Tiefpunkt des Trips (lacht).

Marinus: Als wir dann einen Tag später bei stärkerem Wind aus nordwestlicher Richtung aufgebrochen sind, wollten wir ursprünglich ans schwedische Festland. Irgendwann saßen wir mitten auf der Ostsee im Nirgendwo und haben bei einem Blick auf die Karte gesehen, dass es besser wäre, direkt nach Mön zu foilen statt die vermeintlich kürzere Route nach Südschweden zu wählen. Am Ende bedeutete das, 150 Kilometer in die gleiche Richtung zu foilen, erst dann kam die erste Wende.

Aufzubrechen und am Abend wieder genau dort zu stehen, wo man Stunden zuvor gestartet war, das war für mich mental der Tiefpunkt des Trips (lacht).

Das Gefühl, nur von Wasser umgeben zu sein, ist auf der Ostsee eher selten. Rutscht einem dann auch mal das Herz in die Hose?

Marinus: Das erste Mal “offshore” waren wir, als wir von Skagen nach Laeso gesurft sind, das waren vielleicht 50 Kilometer übers offene Kattegat. Da gab es unterwegs etwa eine Stunde, in der man kein Land sehen konnte, das war schon einschüchternd aber ein gutes Training für die große Querung von Bornholm nach Mon. Da war Land dann für rund fünf Stunden außer Sichtweite.

Knapp 1700 Kilometer absolvierten Magnus und Alfred in 13 TagenKnapp 1700 Kilometer absolvierten Magnus und Alfred in 13 Tagen

150 Kilometer in immer gleicher Körperhaltung - wie hält man das durch?

Alfred: Man gewöhnt sich dran (lacht). Natürlich tun dir irgendwann die Gräten weh und dann versucht man über das Trimmsystem mal den Segelzug etwas von der einen auf die andere Hand zu verlagern oder einfach eine etwas andere Position auf dem Board zu finden. Auf der letzten Etappe hatte ich richtig Stress mit meiner operierten Schulter, da war es dann etwas zu viel geworden.

Marinus: Wir haben teilweise auch unser komplettes Setup geändert. Wenn wir wussten, dass heute ein Tag mit Rückenwind und vielen Raumwindkursen anstehen würde, haben wir morgens die Fußschlaufen nach vorne montiert, weil man dann das Board viel besser unten halten kann. Viele dieser Dinge haben wir erst auf dem Weg gelernt. Am ersten Tag haben wir während der ersten vier Stunden nur 50 Kilometer gemacht weil ein Board bei Leichtwind Probleme hatte, aufs Foil zu kommen. Immer beim Abheben schliff der Gepäckträger im Wasser und hat einen wieder abgebremst. Also sind wir an Land und haben den Winkel des Foils unter dem Board angepasst, damit das Board flacher lief. Danach haben wir 50 Kilometer in zwei Stunden gemacht. Da wussten wir: Wir müssen das Setup des Materials immer wieder verändern, um uns an die wechselnden Bedingungen anzupassen. Am schwierigsten fand ich die Tage mit sehr starkem Wind. Ich erinnere mich, dass wir teilweise bei Raumwindkursen überhaupt nicht dichtholen konnten, sondern nur die Dünungswellen mit geöffnetem Segel runtergefoilt sind. Das war super anstrengend.

Auch das Fernsehen berichtete über die abenteuerlustigen DänenFoto: PrivatAuch das Fernsehen berichtete über die abenteuerlustigen Dänen
Viele Dinge, wie die ideale Einstellung des Materials für Langschläge haben wir erst auf dem Weg gelernt.

Am letzten Tag wurdet ihr in Arhus von vielen Freunden und auch einigen Medienvertretern empfangen. Hattet ihr euch beim Verkünden des Ankunftstages zu weit aus dem Fenster gelehnt und musstet nochmal richtig aufs Gas drücken?

Alfred: Vor dem letzten Tag checken wir die Vorhersage. Wir hatten einen Tag mit viel Wind vor uns, danach waren zwei Tage Flaute angesagt. Statt also zu trödeln und dann zwei Tage abzuhängen, beschlossen wir nochmal das Maximum rauszuholen und kündigten uns für 17:00 Uhr in Arhus an. Dann sind wir früh aufgebrochen und konnten sogar noch einen spontanen Besuch bei Burger King einschieben.

Wir sind sehr früh aufgebrochen und konnten sogar noch einen spontanen Besuch bei Burger King einschieben.

Lasst mich raten - ihr habt im Neo bestellt, um keine Zeit zu verlieren...

Marinus: (Lacht) Der Wind war so stark, wir hatten nichts mehr unter Kontrolle. Die Vorhersage verhieß, dass es später etwas abnehmen sollte. Als wir unter der Brücke über den großen Belt foilten, sahen wir an Land die leuchtenden Schilder der Fastfood-Restaurants. Ich schaute rüber zu Alfred und konnte sehen, dass er genau den gleichen Gedanken hatte und schon schnurstracks aufs Ufer zuhielt. Eine Stunde und ein paar Burger später ging der Wind dann tatsächlich etwas runter (lacht). Die Ankunft in Arhus war dann eine schöne Sache, es waren ein paar Medienvertreter und einige Freunde da.

Ihr kennt euch schon lange, aber lernt man sich auf so einem Trip noch mal neu kennen?

Alfred: Das würde ich nicht sagen. Wir haben mit zehn Jahren im gleichen Surfclub zusammen angefangen und kennen uns also schon ewig. Da weiß man, worauf man sich einlässt. Dass wir schon so lange zusammen surfen und einen Trip wie das Round Denmark gemacht haben, ist großartig. Wir haben schon ein paar Ideen für weitere Touren aber es noch nichts Offizielles.

Danke euch für das Gespräch!

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