Windsurf Round JapanLiebe, Bären & Konbinis - Update von Jono Dunnett

SURF Redaktion

 · 16.09.2024

Jono Dunnett umsurft aktuell die Nordinsel Japans
Foto: Jono Dunnett
Warmherzige Begegnungen und privates Glück auf der einen, hungrige Bären und kaputtes Equipment auf der anderen Seite – Windsurf Round Japan gerät zum Wechselbad der Gefühle.

Die Erfahrungen kommen weiterhin im Schnelldurchlauf. Eine Woche fühlt sich eher wie ein Monat an, ein Monat wie ein Jahr. Bei meinem letzten Update für das surf-Magazin war ich in der Nähe von Sendai. Von dort aus habe ich die Stadt umfahren und die Bucht von Sendai (1) auf einem 45 Kilometer langen Schlag überquert. Zum ersten Mal seit langer Zeit landete ich nicht auf Beton, sondern auf Sand an, die naturreiche Umgebung der Insel Aji war Balsam für die Sinne.

Jono Dunnetts Route bisher und die wichtigsten Stationen auf dieser Etappe. Den Tracker findet ihr weiter unten!Jono Dunnetts Route bisher und die wichtigsten Stationen auf dieser Etappe. Den Tracker findet ihr weiter unten!

Von hier an ist die Landschaft herrlich und wird immer steiler, die Gegend erinnert an Norwegen. Die Sanriku-Küste umfasst eine Reihe von tiefen Buchten, die wild und spektakulär wie Fjorde sind. Aber die exponierte Küste wird durch die Dünung des Pazifiks unwirtlich. Die Landzungen, die in den Ozean ragen, sind einsame Orte und die Entfernungen zwischen sicheren Anlandestellen leider beträchtlich. Die Sicht ist häufig durch Nebel beeinträchtigt, an den meisten Orten hat der Wind Mühe, es aus den Bergen bis aufs Meer zu schaffen. Ich begnügte mich mit ein oder zwei Landzungen pro Tag, es war eine nervenaufreibende Angelegenheit, denn wenn der Wind mal wieder ausfiel, war es meist zu schaukelig zum Paddeln.

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Beim Umrunden der Landzungen sah ich Mondfische und auch zum ersten Mal Albatrosse, sie ein Stück zu begleiten war ein wahres Privileg. So reizvoll die Umgebung, so hart erkämpft war hier jede Meile. Der Nebel senkte sich, und ich mühte mich ab, einen Hauch Wind zu finden, um gegen die Strömung anzukommen und die Landzunge zu passieren. Die Wellen prallten an den Klippen ab sorgten für nervige Kreuzsee.

Tierische Besucher...Foto: Jono DunnettTierische Besucher...

Allerdings verrieten mir die schäumenden Wellenkämme auch, dass es nicht weit von hier Wind geben musste. Irgendwann war ein Hauch spürbar, dann plötzlich richtig Zug im Segel. Mein Raceboard schoss die steilen Wellenwände hinunter und meine Erwartungen für den Tag wandelten sich komplett: „Dreißig Meilen heute, Jono! Dreißig Meilen!“ Doch innerhalb weniger Minuten wurden die Bedingungen zu wild. Der Wind nahm auf 30 Knoten zu, das war doppelt so viel, wie ich bei diesem Seegang schaffen konnte. Ich surfte nicht zur nächsten Einbuchtung, ich wurde gesurft. Dort angekommen, herrschte plötzlich wieder Windstille. Es wäre töricht gewesen, weiterzufahren, also landete ich an. Die Landschaft mit hoch aufragenden Bäumen, die nach Licht strebten, und großblättrigen Unterholzpflanzen erinnerte mich hier an Jurassic Park. Ein Gebirgsbach plätscherte ins Meer, das war wilde Natur und keine kuratierte Version. Es war eine Erinnerung daran, wie sehr die Natur im Vereinigten Königreich und in den meisten Teilen Europas verarmt ist. Zum Abendessen gab es eine der gefriergetrockneten Mahlzeiten, die ich für solche abgelegenen Orte in Reserve habe. Und ich schlief mit Bärenspray in der Hand, nur für den Fall.

Windsurf Round Japan - im Konbini ein König

Der „Norwegen-Abschnitt“ war zwar aufregend, aber zu schwierig, als dass man hier verweilen wollte. Die Kombination aus steiler Küste und hohem Seegang war einfach nur kompliziert, zudem machte die Sprachbarriere es schwierig, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Mit viel Mühe gelangte ich nach Miyako (2), wo ich an einer bekannten Touristenfalle namens Jodogahama Beach landete, wo ich auch einige Windsurfer traf. Die Logistik dieser Reise ist anders als in Europa. Da es in der Nähe meiner Landeorte kaum Kneipen oder Cafés gab, war ich in hohem Maße auf die Konbini-Läden (Lebensmittelgeschäfte) angewiesen. Diese haben in der Regel rund um die Uhr geöffnet und verkaufen alles, was man zum Überleben braucht. Wenn ich nach vorne schaue, berücksichtige ich das Wetter, die Landemöglichkeiten und die Nähe zu einem Konbini. Meine Lieblingskonbinis sind die von „Lawson“, weil sie kostenloses Wifi haben und vielleicht auch eine Frühstücksbar, an die man sich setzen kann.

An netter Gesellschaft würde es Jono nicht mangeln - wäre da nur nicht die SprachbarriereFoto: Jono DunnettAn netter Gesellschaft würde es Jono nicht mangeln - wäre da nur nicht die Sprachbarriere

Das Aufladen von Geräten, wie Smartphone oder GPS-Tracker, kann allerdings ein Problem sein. Die Konbinis haben zwar Steckdosen, aber es ist immer die Frage, ob man die Erlaubnis zum Einstecken erhält, und ich habe gelernt, dass es nicht üblich ist, erst zu laden und dann zu fragen. Das gilt selbst dann, wenn man den gekauften Kaffee trinkt und Sixpacks frischer Schokoladen-Eclairs verschlingt. Die Konbinis haben auch hervorragende Toiletten im modernen japanischen Stil. Wenn du die integrierte Duschfunktion noch nicht erlebt hast, weißt du nicht, was dir entgeht. Im Vergleich dazu sind Toiletten im europäischen Stil etwas aus dem finsteren Mittelalter.

Mein Ziel war jetzt das Kap Shiriyazaki (3), quasi der nordöstlichste Punkt von Honshu. Einmal um dieses Kap herum, würde es Schutz vor dem pazifischen Wellengang bieten. Je weiter ich nach Norden kam, desto weniger war die Küste durch Beton oder Felsen geschützt, und es gab mehr kleinere Häfen und Wohngebiete in Küstennähe. Offensichtlich ist das Tsunami-Risiko in dieser Region geringer. An manchen Tagen fühlte sich das Tourensurfen hier oben sicher an, an anderen Tagen wurde ich bei starkem ablandigem Wind ordentlich verprügelt und daran erinnert, dass ich solche Tage in Zukunft besser wieder an Land aussitzen sollte. Was soll ich sagen – als ich das Kap umrundete, kullerten mir ein paar Tränen übers Gesicht.

Ich schlafe mit Bärenspray in der Hand – nur für den Fall...

Es liegt in der Natur des Langstrecken-Windsurfens, dass man Siege nur kurz feiern kann, denn nun hatte ich eine Überfahrt von Honshu (dem „Festland“) nach Hokkaido (der „Nordinsel“) vor der Brust. Rückblickend waren meine ursprünglichen Pläne für die Überfahrt haarsträubend, und ich danke meinem Freund Kapitän Pablo, dass er mich zur Vernunft gebracht und mich nach Kap Oma (4) geschickt hat, bevor ich den Sprung wagte. Ich kam an einem nebligen Tag am Kap Oma an und nutzte dann den Wind am Rande eines Windfeldes, um mich auf die stromaufwärts gelegene Seite der Halbinsel durchzuschlagen. Dort passierte es.

Nachtlager gefällig?Foto: Jono DunnettNachtlager gefällig?

Schmetterlinge im Bauch

Ich war drei Nächte in Oma und wartete auf einen geeigneten Tag für die Überfahrt. Ich nutzte die Gelegenheit, um ein Onsen, ein öffentliches Bad mit heißen Quellen, zu besuchen und mich zum ersten Mal seit langem zu rasieren – eine Entscheidung, die rückblickend vielleicht ausschlaggebend war. Ich sah also offenbar einigermaßen ansehnlich aus und ging zum Konbini, um mein Telefon aufzuladen und Schokoladen-Eclairs zu essen. Und dort sah ich sie, durch das Glas eines Waschsalons ein Buch lesen.

An diesem Tag waren es nur flüchtige Blicke, aber schon am nächsten Tag traf sie mich wieder und wir gingen spazieren und in den Onsen. Und nach dem Onsen saßen wir schweigend da, zu nahe, um Freunde zu sein. Yumiko, si ihr Name, lud mich zum Essen ein, und dann setzte sie mich an meinem zum Dach aufgestellten Segel im langen Gras hinter den Fischerbooten ab. Vielleicht nur, um zu sehen, ob meine Abenteuer-Geschichte auch stimmte. Am nächsten Tag trafen wir uns nochmal auf einen Kaffee und als ich nach Hokkaido surfte, drehte sich in meinem Kopf alles, wie in den Strudeln der Tsugaru-Meerenge.

Hokkaido bietet großartige SzenerienFoto: Jono DunnettHokkaido bietet großartige Szenerien

Hokkaido-Vibes

Hokkaido empfing mich mit guten Vibes, die Menschen sind offen und freundlich, und die Landschaft spektakulär. Am ersten Tag nahm mich gleich ein Fischer in seinem Kleinbus zu einer heißen Quelle zwischen den Felsen mit und eine Familie, die in Sichtweite des Hafens wohnt, bestand darauf, dass ich bei ihnen übernachtete und mir den Bauch mit gutem Essen vollschlug. Eine Abkürzung durch die Uchiura-Bucht bot einen ersten Tag, an dem es Delfine im Überfluss gab, dazu viele Thunfische und einen Hammerhai. Das war ermutigend, denn bis dato hatte ich nur sehr wenige Delfine gesehen. Am Ende des Tages kam mir noch die Küstenwache entgegen und es folgte eine unkonventionelle Anlandungsroutine.

Es liegt in der Natur des Tourensurfens, dass man Siege nur kurz feiern kann

Yumiko und ich waren in Kontakt geblieben. Sie dachte über einen Besuch nach. Aber dann änderte sie ihre Meinung. „Es ist einfacher, besser so“, redete ich mir ein, obwohl ich wusste, dass mir etwas Gutes entglitten war. Einige Tage später kam sie mich dann doch besuchen und rettete mich vor zwei weiteren Tagen mit schockierend schlechtem Wetter in Hiroo.

Als Nächstes stand die Halbinsel Nemuro auf dem Programm, doch auf dem Weg dorthin lag ein Problem namens Atsunai (5). Dieses kleine Dorf an der Südostküste Hokkaidos ist scheinbar im Nebel versunken. Ich habe zwei Monate gebraucht, um Atsunai zu erreichen, und dann zwei Wochen, um dort wieder wegzukommen. Wellen, Gegenwind, unangenehme Strömung, kilometerlange Fischernetze, die einem den Weg blockieren, unerbittlich schlechte Sicht – Atsunai hatte scheinbar vor, mich nie wieder gehen zu lassen. Zum Glück hat die Stadt einen Bahnhof und die Einwohner waren sehr freundlich. Rückblickend habe ich eine Schwäche für den Ort entwickelt, nachdem ich so lange dort war. Doch dann war er gekommen, der Tag des Aufbruchs.

Nebel und Flaute - zwischenzeitlich hing Jono 14 Tage lang festFoto: Jono DunnettNebel und Flaute - zwischenzeitlich hing Jono 14 Tage lang fest

Ein rauher Tag mit unsicherem Wind brachte mich um Kap Ochiishi und am nächsten Tag umrundete ich Kap Nosappu (6), mit einer herrlichen Aussicht auf die vorgelagerte Inselgruppe der Kurilen. Dieser Tag war von großer Bedeutung, denn mit der Umrundung des Kaps verließ ich den Pazifischen Ozean und gelangte in das viel weniger exponierte Ochotskische Meer.

Windsurf Round Japan - das Meer der Zermürbung

Theoretisch sollte es von hier aus einfacher sein, aber das Ochotskische Meer wird in meine Erinnerung als das „Meer der Zermürbung“ eingehen. Zunächst brach in Nemuro der Schaft meines Paddels. Ich reparierte es, aber dann brach es an anderer Stelle erneut. Ein gutes Paddel ist unverzichtbar, es musste also ein neues her. Danke an Starboard für die schnelle Lieferung! Später beschädigte ich Board und Segel, als ich es nicht schaffte, treibende Fischernetze zu überwinden. In dieser Gegend sind die Netze sehr dicht gepackt und in vielen Fällen am Ufer befestigt. Ich umrundete die abgelegene Wildnis der Shiretoko-Halbinsel (7). Die Landzunge ist in ganz Japan für ihre Schönheit und ihre Tierwelt, zu der auch Bären gehören, bekannt.

Mein Zeitplan ist im Eimer. Ich werde es nicht vor Einbruch des Winters schaffen

Ich habe vom Meer aus zwei Bären gesehen, die an der Küste entlangwanderten und sich am Strand tummelten, so wie es jeder von uns tun würde. Auf Begegnungen an Land hätte ich gerne verzichtet, aber eines Tages wollte ich mich kurz nach der Anlandung auf die Suche nach Wasser machen. Ich schaute über eine alte Mauer, um zu entscheiden, in welche Richtung ich gehen sollte – und sah einen großen Braunbären, der etwa 15 Meter entfernt war und näher kam. Ich tauchte unter, fischte das Bärenspray aus meiner Tasche, gab mich wieder zu erkennen und sagte dem Bären energisch, er solle verschwinden, was er auch tat. Dieses Tier war ein Schwergewicht, viel größer als ich, aber es ließ sich leicht erschrecken, wie eine Kuh oder der Labradoodle meiner Familie.

Würdest du dein Nachtlager mit diesem Local teilen?Foto: Jono DunnettWürdest du dein Nachtlager mit diesem Local teilen?

Ich ließ über Nacht ein Feuer brennen, um ungebetene Besucher abzuschrecken und war dankbar, als die Morgendämmerung einsetzte. Es war nicht der einfachste Ort zum Starten, also lud ich die Ausrüstung ein, während das Brett bereits im Wasser lag. Ich drehte mich um, um mein Vorratsfass von den Felsen zu holen, als plötzlich ein weiterer Bär vor mir stand. Es war ein dünnerer Geselle, der bereits über die Mauer gesprungen war und nun nur noch wenige Meter entfernt war. Als wir uns gegenseitig wahrnahmen, erstarrten wir beide kurz. Mein Bärenspray war bereits weggepackt. Aber meine Abmahnstimme war inzwischen geübt: „Husch! Hau ab! Hau ab!“

Die Bären, die ich traf, waren rückblickend alle leicht zu erschrecken. Sie waren eher auf Nahrungssuche als auf der Jagd und sahen aus wie Männer in Bärenanzügen. Meine eigene Angst vor diesen Tieren hat sich gelegt und wurde durch etwas Angemesseneres ersetzt: Respekt. Nachdem ich diese Tiere getroffen habe, ist die Wahrheit offensichtlich. Wir sind eine viel größere Bedrohung für sie als sie für uns. Shiretoko ist ein Nationalpark, aber die Lachsnetze, die ihn umgeben, sind hier genauso zahlreich wie anderswo. Die Bären werden verhungern, wenn alle Lachse aus dem Meer gefischt werden. Es enttäuscht mich, dass der Schutz des Nationalparks an der Küste endet.

Läuft...!Läuft...!

Warten in Gesellschaft

Was ein Abenteuer ausmacht, sind die Unwägbarkeiten. Zu Beginn von Windsurf Round Japan hätte ich vielleicht einen Zeitplan gehabt, aber der ist längst in die Brüche gegangen. Es ist eine komplizierte Küste, die durch die vielen Fischernetze doppelt schwierig wird. Außerdem umfahre ich Hokkaido in der „falschen“ Richtung, gegen die vorherrschenden Strömungen. Im Vergleich zur Europareise ist deshalb meine durchschnittliche Tageskilometerleistung deutlich gesunken. Und spätestens seit eine plötzliche Windböe mein Material in Shari (8) in einen Zaun geschleudert hat, ist der Zeitplan hinfällig. Der Mast ist gebrochen, das Segel zerfetzt. Meine Sponsoren Unifiber und Loftsails tun was sie können, um mir Ersatz zu besorgen, aber aktuell sitze ich hier oben fest. Es scheint nun unvermeidlich, dass mich die harten Bedingungen des Winters treffen werden, bevor ich ihnen entkommen kann.

Aber für Frust gibt es keinen Anlass. Yumiko ist zu Besuch gekommen, wir haben ein richtiges Zelt gekauft und während ich diese Zeilen für euch surf-Leser schreibe, köchelt sie uns ein warmes Abendessen.

Bis bald aus dem Japanischen Meer!

Euer Jono

Verfolgt Jono Dunnetts Reise rund um Japan im Tracker

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