Tobias Frauen
· 05.07.2023
“Hat er sich das Beste zum Abschluss für sein Youtube-Video aufbewahrt?” vermutete Kommentator Ben Proffitt, als Nico Prien im letzten Lauf jubelnd als erster über die Ziellinie ging. Das war er, der erste Sieg im World Cup für den Schönberger, der bekanntlich seinen Job bei Starboard niedergelegt hat, um bei Events wieder Vollgas geben zu können.
Nach durchgängigen Top 5-Platzierungen in den Tagen zuvor war der dritte und letzte Slalom-Tag in Pozo nicht optimal gestartet. Zweimal Pech im Halbfinale, zweimal nur das kleine Finale für Nico - dass er dann jeweils aber souverän gewann. Am Ende ein sehr starker fünfter Platz für ihn, dank beeindruckender Konstanz.
“Die Rennen auf der Finne sind im Chop physisch extrem anstrengend”, berichtet Kommentator Ben Proffitt. “Auf dem Foil hingegen ist es mental sehr herausfordernd, weil jeder kleinste Fehler sofort das Aus bedeuten kann.” Dafür fährt man deutlich ruhiger über das aufgewühlte Wasser hinweg. Finne oder Foils, diese Frage schwebte auch heute über fast allen Rennen. Zwar griffen viele Fahrer in bis zu 30 Knoten Wind wieder zur Finne, doch allzu häufig waren die Foils einfach schneller auf der Geraden.
Besonders beeindruckend zeigte das Weltmeister Maciek Rutkowski: Zweimal drohte der Pole im Halbfinale nach einem Crash auszuscheiden, doch in beiden Fällen schaffte er ein spektakuläres Comeback und rollte das Feld von hinten auf. Zwar gelang ihm kein weiterer Sieg, doch mit überzeugender Konstanz sicherte er den zweiten Platz in der Event-Wertung. Ein Schlüssel zum Erfolg dürfte dabei seine Equipment-Wahl gewesen sein: Laut Ben Proffitt hat Rutkowski den kleinsten Frontwing aller Fahrer registriert. Nur 375 cm2 brachten ihm in bis zu 30 Knoten Wind überragenden Speed - sowas fahren die meisten anderen als Backwing.
Ganz vorne war kein Vorbeikommen an Enrico Marotti. Von vielen vor der Saison als Top-Favorit genannt, gewann der Kroate erneut einen Lauf und sicherte sich damit schon vor dem letzten Durchgang den Event-Sieg. Ein achter Platz und ein zehnter Platz waren die größten Ausrutscher in insgesamt zehn Eliminations, die er aber per Streicher tilgen konnte. Der zweite Event-Sieg nach Japan im vergangenen Jahr, im WM-Rennen wird Marotti der Mann sein, den es zu schlagen gilt.
Besonders spannend war das Duell um den dritten Rang zwischen Matteo Iachino und Pierre Mortefon: Erst auf der Zielgeraden des letzten Finales fiel die Entscheidung, mit einem dritten Platz zog Mortefon mit nur 0,3 Punkten Vorsprung doch noch an Iachino vorbei. Ein weiterer Gewinner des Tages im Herren-Feld war Bruno Martini. Der Mann vom Gardasee, eigentlich ein Freund der Finne, gewann die erste Elimination des Tages auf dem Foil, doch in den folgenden Läufen hatte er Pech und geriet in Zusammenstöße.
Michele Becker drehte am letzten Tag mit Slalom-Rennen ebenfalls noch einmal richtig auf und holte einen zweiten und einen vierten Platz. Nur der letzte Durchgang lief mit Platz elf nicht optimal, im Halbfinale war er nach einem Foto-Finish mit Matteo Iachino nur Fünfter geworden. Zwei deutsche Slalom-Fahrer in den Top Ten, das gab es lange nicht mehr!
Und bei den Damen? Hier fuhr Blanca Alabau ihre Führung in der Event-Wertung sicher nach Hause. Selbst Stürze konnten sie nicht stoppen, immer wieder startete sie eine Aufholjagd und holte mit dem Foil Top-Platzierungen. Auf den zweiten Rang kam Sarah-Quita Offringa, dahinter Marion Mortefon, die heute zweimal gewinnen konnte. Insgesamt fuhren die Damen 15 Eliminations, mit nur neun Starterinnen ging es dabei immer im Full Fleet-Modus ums Ganze.
Fast schon Mitleid konnte man mit Jenna Gibson haben. Die Britin ist schon die ganze Zeit in Pozo stark gefahren und lag oft vorne, doch über mehr als einen Sieg ist sie bislang nicht herausgekommen. Auch am dritten und letzten Slalom-Tag vor Pozo sah es nach großen Hoffnungen aus, die enttäuscht werden sollten. In Führung liegend, versemmelte Gibson die vorletzte Halse - Blanca Alabau zieht auf dem Foil vorbei. Nächste Runde, wieder fährt die Britin stark los, und wieder wird sie im letzten Moment von der Führenden aus Spanien überholt. Das gleiche Spiel drohte in einem weiteren Durchgang: Halse sitzt, doch kurz darauf schlittert Gibson mit Spin Out schräg über den Kurs, während von hinten Alabau mit dem Foil angerauscht kommt. Doch dieses Mal ist das Glück auf der Seite von Jenna Gibson, die mit hauchdünnem Vorsprung die Spanierin in Schach halten kann und den zweiten Sieg der Woche einfährt. Im letzten Durchgang setzte Gibson dann noch einen drauf und ließ die Pechsträhne vergessen machen. Am Ende Platz vier für sie, vor Gardasee-Gewinnerin Justine Lemeteyer.
Damit sind die drei Tage Slalom beendet, wie es zuvor festgelegt wurde. Ab morgen steht dann wieder Wave auf dem Programm - die Double Elimination der Damen und die Fortsetzung bei den Herren, oder aber die Junioren-Wettbewerbe. Stay tuned!