Surf Testteam
· 13.08.2024
Keine Sorge, so wie im Bild oben haben wir Gabelbäume nicht ernsthaft getestet. Ein Teil unseres Test- und Redaktionsteams zog am Gardasee mit den langen Freeridegabelbäumen seine Bahnen, die Crew im Norden schwärmte nach Dänemark aus, mit einer Ladung Wavegabeln im Gepäck. Der Auftrag war indes der gleiche: unterschiedliche Gabelbaum-Systeme vergleichen. Denn die Wahl der richtigen Gabel ist nicht immer leicht: Welche Länge macht Sinn? Surft man mit ovalen Griffen wirklich entspannter als mit runden Holmen? Was bringt mir eine Carbongabel – abgesehen von einem Loch in der Haushaltskasse? Und was gilt es bei der Breite des Endstücks zu beachten? Hier gibt’s die Antworten!
Dass man an dünnen Holmen entspannter greift, ist einleuchtend. Aber warum gibt’s dann überhaupt unterschiedlich dicke Rohrdurchmesser? Generell versuchen die Hersteller immer drei Parameter gegeneinander abzuwägen: hohe Steifigkeit, geringes Gewicht und kleiner Griffdurchmesser. Diese Aspekte hängen unmittelbar miteinander zusammen. Steifigkeit kann man erzielen, indem man beispielsweise den Holmdurchmesser erhöht – dadurch verschlechtert sich aber der Komfort beim Greifen. Alternativ könnte man auch die Wandstärke des Holms erhöhen, dann wäre die Gabel ebenfalls steifer und dünn, würde aber auch schwerer – als Designer dreht man sich da irgendwann im Kreis. An diesem Punkt kommt Carbon ins Spiel – steif, dünn und leicht, diese Kombi gelingt bei Carbongabeln in Summe am besten. Wäre da nicht der Preis, denn eine gute Carbongabel kostet schon in der Länge 140-190 Zentimeter zwischen 600 und 1000 Euro. Fürs gleiche Geld bekommt man, je nach Marke und Modell, drei bis vier Standardgabeln aus Alu.
Weil sich nicht jede und jeder eine Carbongabel leisten kann und will, bieten die Hersteller verschiedene Alumodelle an. Diese unterscheiden sich teilweise bei der Form der Holme. Marken wie Aeron oder GunSails haben sogenannte V‑Grip-Gabeln im Programm, hier laufen die Holme auf der Innenseite leicht spitz zu. Das soll beim Pumpen, wenn die Gabel quasi auseinandergezogen wird, bessere Steifigkeit bieten und mehr der natürlichen Handform entsprechen.
Große Unterschiede gibt es natürlich auch bei den Holmdurchmessern. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Hersteller in der Regel die Dicken des nackten Holms angeben, durch den Belag kommen da dann noch mal 2 bis 2,5 Millimeter hinzu. Aus einer Severne-Enigma-Carbongabel mit laut Hersteller 24,5 Millimetern Durchmesser wird in der Praxis dann ein 27er Durchmesser. Ebenfalls im Hinterkopf behalten sollte man, dass sich bei manchen Gabelbaummodellen die Dickenangabe auf den Griffbereich bezieht, die Gabeln weiter hinten aber – dort, wo man in Manövern oder beim Wellenabreiten auch oft greift – spürbar dicker werden. Aber wie groß sind die Unterschiede in der Praxis auf dem Wasser? Was uns beim Testen aufgefallen ist: Es macht einen Unterschied, ob man mit einer Gabel „nur“ hin und her surft oder ob man mit der Gabel freestylt oder in die Welle geht.
Folgende Gabelbäume haben wir exemplarisch in der Welle ausprobiert:
20 bis 30 Knoten Wind, kopfhohe Rampen und ein Stapel Gabeln direkt an der Wasserkante – so sah unser Test-Set‑up am dänischen Topspot Hanstholm aus. Weil der Wechsel so nur zwei Minuten dauert, sind die Unterschiede sofort spürbar.
Bereits nach kurzer Eingewöhnungszeit kann man sich mit der ovalen, im Fingerbereich spitz zulaufenden Form der V‑Grip anfreunden. Bei langen Schlägen passt die Gabel sehr gut zur Handform, das sorgt für entspanntes Greifen. Was aber auch deutlich wird, ist, dass man beim Wellenabreiten, in Manövern oder bei Freestyletricks eben doch anders zupackt als beim normalen Freeriden geradeaus – und dann passt die eigenwillige Form spürbar weniger. Hinzu kommt, dass die V‑Grip-Gabeln im Mittel aufgrund ihrer doppelwandigen Konstruktion einfach spürbar schwerer sind: „Auf der Geraden“, so surf-Tester Julian Wiemar, „schmiegt sich die Form irgendwann gut an, ich kann dann schon entspannt greifen. Sobald ich mich aber auf der Welle oder in Manövern an der Gabel bewege, stört mich die Form beim Umgreifen eher. Dann ist mir eine Gabel mit gleichmäßig runden Holmen lieber.“ Natürlich wirkt die V‑Grip erwartungsgemäß sehr steif, in Manövern und beim Wellenabreiten – also immer dann, wenn das Segel eine eher statische Fahrposition verlässt und rotiert – macht die Gabel das Segel aufgrund ihres höheren Eigengewichts schon spürbar träger.
Der Wechsel auf die Standard-Alugabel mit gleichbleibendem Holmdurchmesser fühlte sich in diesem Zusammenhang besser an. Dass die Holme vielleicht einen Tick weniger steif sind, fällt schlicht nicht ins Gewicht, dafür fühlen sich die runden Holme beim Tricksen nicht wie ein Fremdkörper an und das geringere Eigengewicht lässt das Segel schon spürbar agiler und angenehmer rotieren – egal ob man beim Halsen schiftet oder einen Loop oder Freestylemove rotiert.
Wie stark sich wenige Millimeter beim Holmdurchmesser auswirken, kann man am Beispiel der GunSails-Cross-Gabel wunderbar beobachten – diese ist vorn rund drei Millimeter dünner als hinten. Wer sicher und entspannt im Trapez surft und lange Schläge cruist, dürfte sich am vergleichsweise dicken 32er Durchmesser im hinteren Bereich nicht stören – einfach, weil man normalerweise nicht mit voller Kraft zupackt und die hintere Hand nur locker auf der Gabel liegt. Ein komplett anderes Bild sieht man an langen Surftagen in der Welle. Man surft beim Springen und Wellenabreiten viel ausgehakt und oft mit breitem Griff an der Gabel. Der hintere Arm ermüdet dann spürbar schneller. Wer nach zwei Stunden auf dem Wasser einen langen Ritt mit mehreren Turns auf die Welle zirkelt, merkt, wie man vorn recht entspannt greift und der hintere Unterarm schon sauer wird.
Der Wechsel auf die Carbongabel ist unter diesem Aspekt eine Wohltat. Zwei Millimeter weniger Durchmesser, das hört sich nach Haarspalterei an, ist aber in der Praxis eine Welt. Dabei ist es übrigens egal, ob man kleine Hände oder Pranken hat, man surft einfach entspannter und de facto länger. Aus Erfahrung können wir sagen, dass sich dieser gefühlte Vorteil noch potenziert, wenn man in der kalten Jahreszeit mit Handschuhen unterwegs ist. Und beim gefühlten Gewicht? Wechselt man von der schweren V‑Grip-Gabel auf Carbon, ist der Unterschied mächtig spürbar. Aber: Es ist halt nur ein Gefühl, weil das Segel flinker rotiert und etwas agiler in der Hand liegt. Trotzdem surft man damit weder schneller, noch gelingen Wavemoves oder Sprünge nur deshalb besser, weil man eine Carbongabel fährt.
Spannend war für uns auch der Wechsel auf die dünne Alugabel. Diese liegt gefühlt annähernd so leicht in der Hand wie die Carbongabel – das liegt allerdings weniger am Gewicht, sondern vor allem am herrlich dünnen Holmdurchmesser. Am 5,0er Segel montiert und halb ausgefahren ist auch beim Thema Steifigkeit kaum ein Nachteil zu spüren, selbst bei harten Backloop-Landungen nicht. Nach einigen Stunden auf dem Wasser waren sich unsere Tester einig: Mit der dünnen Alugabel surft man so entspannt wie mit dem Carbonmodell.
Der Test ist vorbei, Wind und Wellen werden immer besser. Unser leichterer Tester Julian (78 Kilo) schnappt sich sofort die Carbongabel für den Feierabendsurf. Streiten muss er sich dabei mit dem schwereren Kollegen Manuel (92 Kilo) nicht, denn unser Vergleich hat ein weiteres wichtiges Detail zutage gebracht: die Frage nach dem passenden Endstück. Hintergrund: Schwere Leute fahren die gleiche Segelgröße bei deutlich mehr Wind und mitunter auch bauchiger getrimmt. Bei Gabeln mit schmalem Endstück – dazu gehört neben der GunSails Cross auch die Carbongabel von Severne – liegt das Segel dann schnell bis zu den Trapeztampen an. „Ich müsste dadurch das Segel flacher trimmen, als gut wäre, bei Landungen und starken Böen scheuert dann die Gabel die ganze Zeit am Segel. Daher würde ich nie eine Gabel mit schmalem Endstück fahren“, erklärt surf-Redakteur Manuel Vogel. Wird die Carbongabel in der Welle also überflüssig? Eher nicht, denn einen Nachteil kann auch die dünnste Alugabel nicht wettmachen: Carbon verbiegt nicht! Und wer viel springt und den Verstellbereich seiner Wave- oder Freestylegabel auch mal komplett ausreizen will, ist mit Carbon immer auf der sichereren Seite.
Freeridetest 2024 – die surf-Tester haben für den Test der 7,0er No-Cam-Segel Zugriff auf drei verschiedene Gabelmodelle: die besonders dünnen Alugabeln Duotone Silver Mega Slim in den Längen 180-240 und 160-200 sowie die GA Hybrid 170-230 mit steifem Carbon-Endstück. Die Tester sind ahnungslose Versuchskaninchen. Beobachtet wird nämlich parallel zum Segeltest, zu welchen Gabeln sie bevorzugt greifen und welche liegen bleiben. Erstaunlicherweise ist die mutmaßliche High-End-Gabel mit Carbon-Endstück am Ende fast neuwertig – maximale Steifigkeit verliert im Praxistest gegen Griffkomfort. Am beliebtesten ist für die meisten Freeridesegel sogar die ganz kurze 160er „Slim“, die nochmals im Durchmesser zwei Millimeter dünnere Rohre hat als die 180er Gabel und damit im Bereich von dünnen Carbon-Wavegabeln liegt. Beide liegen preislich allerdings auch zwischen herkömmlichen Alugabeln und hochpreisigen Carbonmodellen. Die 160-220 wirkt bei 40 Zentimetern Auszug zwar nicht mehr maximal steif, aber bei Langschlägen und bei Manövern einfach leichter und handlicher. Der Einfluss der Gabel auf das empfundene Handling des gesamten Riggs ist so groß, dass bei surf-Tests schon immer jeder Tester beim Segeltausch „seine“ Gabel behält oder üblicherweise alle Segel mit der gleichen Gabel aufgeriggt werden.
Zweiter Akt: Gabeltest am Gardasee. Auch wenn die Alugabel (NeilPryde XF) beim heftigen Anpumpen geringfügig mehr Spiel „rauf-runter“ hat, wirkt sie, etwa halb ausgezogen, auf dem 7,0er Segel „absolut steif genug, aber den Unterschied zur Carbongabel spürt man sofort“, urteilen die Tester einstimmig. Gemeint ist das empfundene Rigg-Gefühl, „das Segel wirkt mit der Carbongabel NeilPryde X‑CS Freerace leichter und spielerischer“. Die Entscheidung? „Klar für die Carbongabel – nicht wegen der Steifigkeit, sondern weil sie griffiger wirkt und das Rigg gefühlt sicherer, leichter und mit weniger Kraft zu halten ist“. 29 gegen 32,5 Millimeter Durchmesser (inklusive Grip) klingen erst mal nicht so viel. Im Umfang (U = * D) liegt zwischen diesen beiden Rohren allerdings ein guter Zentimeter, was den so deutlich spürbaren Effekt erklärt. NeilPryde bietet übrigens neben der „XF“ ebenfalls Alugabeln mit zwei (XA) und drei (XF‑S) Millimeter dünneren Holmen an.
Unser Oldtimer-Schätzchen, die North Pro.Gression ist mit 2,7 Kilo die zweitleichteste Gabel in diesem Vergleich und bringt es mit mehr als 33 Millimeter Durchmesser auf eine gute Steifigkeit. Dennoch wirkt die Gabel einfach wuchtig und nicht mehr zeitgemäß. Das Gefühl wird vom sehr schmalen Endstück noch untermauert, das für einen lockeren Schothorntrimm leistungsstarker Freeride- oder Freeracesegel nicht gut geeignet ist. Dagegen wirkt die aktuelle 180er „Slim“-Gabel mit 30er Durchmesser regelrecht filigran.
Abgesehen von extrem angepowertem Racing oder an wirklich großen Segeln kann man günstigeren Alugabeln kaum einen Leistungsnachteil ankreiden. Dafür kommen dann aber dicke Carbon-Kracher ins Spiel, die schon optisch mit einem rollenbestückten Endstück wie im Cockpit eines F50-Racers aus der Sail GP und fetten Endrohren im AMG-Style ordentlich Eindruck machen. Unser Referenzmodell GunSails Select Carbon in 180-240 bringt 3,35 Kilo auf die Waage, misst im Griffbereich 32 Millimeter mit Belag und am Endstück 39 Millimeter. Da könnte man beim Schiften in der Duck Jibe fast meinen, an den Mast zu greifen. „Solche Längen werden aber auch kaum noch verkauft“, sagt surf-Tester und Surfshop-Verkäufer Frank Lewisch. Und die nächstkleinere Länge 160-220 fällt auch bei der vergleichsweise sehr günstigen GunSails-Carbongabel spürbar dünner aus, die 140er Wavegabel dann nochmals.
Im Vergleich ist die NeilPryde-Carbongabel XC‑S Freerace 175-225 bereits auf den Freeride- und Freerace-Einsatz abgestimmt, verzichtet auf das dicke Ende und überzeugt mit schlanken 20-30 Millimetern (leicht oval) im Griffbereich und lediglich 2,65 Kilo mit dem besten Handling in dieser Testgruppe. Das gleiche Segel fühlt sich damit fast wie eine Nummer kleiner an. Mit der ebenfalls erhältlichen NeilPryde XC-S Race tut man sich in vielen Fällen keinen Gefallen, weil bei gleicher Basislänge der Griffbereich und die Holme deutlich dicker ausfallen, ein Komfortgewinn im Vergleich zu einer Alugabel ist nicht vorhanden, und das massive Endstück mit integriertem Trimmsystem ist zwar fürs Racing praktisch, für Freeride oder Freerace aber spürbar überdimensioniert.
Die Gabel wird als Tuningobjekt unterschätzt. Auch für Freeride und Freerace ist eine dünnere Gabel für entspannten Surfgenuss entscheidender als das letzte Quäntchen Steifigkeit. Wer bis 90 Kilo wiegt und Segel bis zu maximal etwa 2,10 Meter Gabellänge surft, kann auf extradicke Carbon-Racegabeln meist verzichten. Achtung: Bei vielen Gabeln ändert sich der Durchmesser je nach Länge! Die kürzere Gabel ist bei zwei Längen zur Auswahl dann vielleicht die bessere Variante – wobei auch hier die Faustformel gilt, dass bei Alugabeln die letzten 15 Zentimeter möglichst nicht verwendet werden sollten – vor allem bei Fahrergewichten über 90 Kilo. Für das Gesamtpaket aus Steifigkeit, angenehmem Griff und maximal nutzbarer Länge bleibt Carbon erste Wahl – sicherlich nicht als Schnäppchen, aber erfahrungsgemäß dafür besonders lange haltbar.