Systeme, Material, TrimmkräfteAlles über Mastfüße und Mastverlängerungen

Surf Testteam

 · 28.08.2024

Mit Vollkardan, schwarzer oder weißer Sehne (Tendon Joint), Halbkardan und natürlich dem klassischen, dicken Power Joint ist die Auswahl bei Mastfüßen zum Windsurfen riesig.
Foto: Stephan Gölnitz
Am Anfang war das Kardangelenk. Die bewegliche Verbindung zwischen Rigg und Board als eigentliche Erfindung des Windsurfens. Mittlerweile ist die Auswahl an Mastfüßen und -verlängerungen riesig. Ein Versuch, für Ordnung zu sorgen.

Mal eben schnell Boards tauschen. Klingt easy und ist – seit fast alle Surfer auf den (Euro-) Pin setzen, meistens möglich. Abgesehen davon wünschst du dir vielleicht die geeignete Sehne oder Kardangelenk, den optimalen Mastfuß und eine Verlängerung für möglichst geringe Trimmkräfte? Wir haben hier verschiedenste Konstellationen erprobt und sind auf erstaunliche Ergebnisse gestoßen.

Sehne, Powerjoint - oder doch Kardan?

Der gute alte Power Joint kommt, so sagen es die mündlichen Überlieferungen der Surf-Urahnen, als Motorlager aus dem Automobilbau. Der Power Joint ist sehr robust, lange haltbar, aber irgendwann – nach vielen Jahren Nutzung – nur sehr schlecht auszutauschen. Die Verschraubungen sind extrem fest verklebt und müssen ausgekocht werden. Da erscheint eine Neuanschaffung des gesamten Mastfußes oft sinnvoller. Der Pin wird mit dem Power Joint mit einem M8- oder M10-Gewinde verschraubt. Die heute selten verwendeten M8-Durchmesser sind in der Vergangenheit auch schon mal abgebrochen, was dem Image nicht förderlich war. Weil der Sicherungsgurt unterhalb des Pins verläuft, blieb der in diesem Fall wirkungslos. Die mittlerweile überwiegend eingesetzten M10-Gewinde sind dagegen unauffällig. Dennoch hat sich mittlerweile die sogenannte Sehne (Tendon Joint) durchgesetzt.

Von oben links: Kardan-Gelenk, weißer Tendon, Powerjoint, schwarzer Tendon und Halb-KardanFoto: Stephan GölnitzVon oben links: Kardan-Gelenk, weißer Tendon, Powerjoint, schwarzer Tendon und Halb-Kardan

Der massive Kardan wird vor allem gerne von Surfschulen eingesetzt. Im Unterricht liegen die Segel oft lange im Wasser, wobei die Dauerbiegung für den Tendon Joint eine besonders große Belastung darstellt. Mastfußprotektoren passen allerdings überwiegend nicht gut drüber und die Dämpfung zwischen Rigg und Board ist gleich null. Auch der dickere Power Joint aus weicherem Gummi hält der dauerhaften Biegung länger stand als die steifere Sehne. Für den privaten Einsatz ist der Halbkardan von Chinook mit austauschbarem Tendon eine Alternative: für Kinder, für breite Foilboards und aufblasbare Wind-SUPs.

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Mastfuß-Sehne: Farbe und Form

Die austauschbare Sehne („Tendon Joint“) ist überwiegend schwarz oder nahezu durchsichtig, aber auch mal milchig-weiß oder gelb (streamlined). Auch die Bohrungen unterschieden sich: sowohl im Durchmesser als auch im Abstand zum Ende der Sehne und in der Anordnung (parallel oder 90 Grad gedreht). Position und Durchmesser sollten beim Tausch passen, bei der Farbe gibt es eine Tendenz: Schwarze Sehnen sind häufig etwas weicher und bei kalten Temperaturen weniger spröde. Den Einfluss der Temperatur kann man deutlich erspüren: Bei Zimmertemperatur war unser Test-Joint noch recht biegsam, das identische Modell nach einer Nacht bei sieben Grad im Kühlschrank dann vergleichsweise bockig. Beim Wintersurfen sollte der Zustand deshalb häufiger kontrolliert werden, auch an den unsichtbaren Stellen. Das gelingt auch bei verschraubten Modellen in fünf bis zehn Minuten, beim Unifiber Elite lässt sich das Innenleben sogar ohne Werkzeug am Strand checken (hier geht es zu einem ausführlichen Test). Hier waren offensichtlich keine Autokonstrukteure am Werk, die für einen Kupplungswechsel auch mal den kompletten Motorausbau in Kauf nehmen.

Trimmkräfte: Keine Frage des Preises

Das Severne Moto 7,8 liegt mit 92 Kilo Tampenzug am Vorliek noch im moderaten Bereich. Einige Freeracesegel erfordern zwischen 100 und 150 Kilo Zug.Foto: Stephan GölnitzDas Severne Moto 7,8 liegt mit 92 Kilo Tampenzug am Vorliek noch im moderaten Bereich. Einige Freeracesegel erfordern zwischen 100 und 150 Kilo Zug.

Bei vielen teuren Mastverlängerungen gehört der glatte, weiße Dyneema-Tampen dazu wie das Lederlenkrad zur „Edition“-Ausstattung bei VW. So glänzt dieser im hausinternen Vergleich an der teureren Gun-Verlängerung ebenso wie die schicke Rollenhalterung, die Längenverstellung ist deutlich eleganter und besser gelöst als beim Sparmodell, der Gesamteindruck wirkt solider und hochwertiger. An den gemessenen Trimmkräften ändert das allerdings wenig. Im Testkeller messen wir mit der günstigen Classic-Verlängerung (49,90 Euro) 78 Kilo Zug am Referenzsegel GA Matrix 7,7. Mit der noblen GunSails Pro XT (85,90 Euro) stehen mit demselben einfachen Trimmtampen sogar zwei Kilo mehr auf der Uhr – was auch am minimal unterschiedlich durchgesetzten Vorliek liegen könnte. Denn jetzt kommt die Überraschung: Bei Verwendung des glatten Marlow-Formuline-Tampens (GunSails, 3 Euro/Meter) bleibt die Waage bei beiden Modellen exakt bei 61 Kilo stehen.

Kein Unterschied zwischen den Verlängerungen, aber rund 20 Kilo weniger durch einen anderen Tampen? Wir machen die Gegenprobe. Auch mit der Duotone Uni.XT liegen die Trimmkräfte mit dem rauen Serientampen bei 82 Kilo, mit Dyneema-Tuning flutscht es mit nur 65 Kilo deutlich leichter. Letzte Probe: NeilPryde UXT vs. MXT. Auch hier ein zumindest ähnliches Bild: Für das NeilPryde V8, mit bärigem Zug am Vorliek, ist auf beiden Verlängerungen nahezu exakt die gleiche Trimmkraft erforderlich. Ein glatter Tampen spart wiederum gute zehn Kilo ein. Mit zwei Nachteilen muss man bei den Dyneema-Tampen allerdings leben: Die Enden lassen sich nicht gut verschweißen (Tipp: ein kurzes Stück Schrumpfschlauf aus dem Baumarkt am Ende über einer Flamme aufschrumpfen) und beim Ziehen mit der Hand schnürt die glatte Schnur stärker ein.

Wenn es nur um die Trimmkräfte geht, bringt ein glatter Tampen mehr als die teuerste Verlängerung.”

Letzter Versuch, die Physik mit ihren unkalkulierbaren Reibungskräften zu überlisten, ist die Severne-Verlängerung mit drei Rollen unten und Vierer-Block am Segel. Das Moto benötigt über 90 Kilo Zug, dabei sollte die vierte Rolle die Zugkraft – theoretisch, ohne Reibung – nochmals halbieren. Und jetzt kommt der Clou: Bei Verwendung von nur drei Rollen am Segel erhöht sich die Zugkraft nur um etwa fünf bis zehn Kilo, der Gewinn durch die vierte Rolle fällt offensichtlich durch Reibungseffekte sehr spärlich aus. Da leistet die aufwendige Duotone Power.XT mehr.

Für das GA Matrix sind in Hebelmitte 17 Kilo Zug erforderlich (11 am Ende des Hebels). Diese drückt man zwar nicht mit den Beinen, aber immer noch ziemlich entspannt aus dem Handgelenk. Eine letzte Spezialität hat Severne für kleinere Segel im Programm: Die Cyclops wird nur durch den Block „geloopt“, nutzt also nur zwei Rollen, dafür soll eine griffige Zugschlaufe das Durchsetzen erleichtern. Erstaunlicherweise variiert die Zugkraft an einem Severne Gator 6,5 lediglich zwischen 59 und 62 Kilo: Den geringsten Zug erfordert die Cyclops (59 Kilo). Mit drei Rollen am Segel sind 62 Kilo fällig. Geometrie und Reibung sind bei der Cyclops offensichtlich deutlich effizienter.

Fazit: Um mit möglichst wenig Kraftaufwand zu trimmen, kommt es vor allem auf das Segel an. Hier unterschieden sich die Zugkräfte teils gewaltig. Wir werden deshalb auch bei zukünftigen Segeltests die Trimmkräfte an allen Segeln messen. Dabei sollte man im Eifer des Kräftesparens nicht vergessen, dass das Trimmen nur wenige Sekunden dauert, gesurft wird mit dem Segel im besten Fall ein ganzer Tag. Besonders teure Verlängerungen haben viele Vorzüge. Wenn es nur um die Reduzierung der Trimmkräfte geht, bringen diese nicht automatisch einen Vorteil. Die günstigste Optimierung ist ein reibungsarmer Dyneema-Tampen. Das schlechteste Ergebnis erzielten wir mit einer alten Arrows-Verlängerung mit sehr kleinen Kunststoffrollen. Mit weit über 160 Kilo Zug war das Referenzsegel trotzdem nicht auf Max zu trimmen.

Fest montierte Mastfuß-Platten

Duotone, Chinook und Unifiber bieten Systeme, bei denen eine flache Platte fest auf dem Board bleiben kann. Der Mastfuß wird nur eingesteckt und mittels Schiebefeder gesichert, was wenig Kraft erfordert. Mit zwei Schrauben ist die Belastung besser verteilt, aber der Verschiebebereich in der Mastspur kürzer.Foto: Stephan GölnitzDuotone, Chinook und Unifiber bieten Systeme, bei denen eine flache Platte fest auf dem Board bleiben kann. Der Mastfuß wird nur eingesteckt und mittels Schiebefeder gesichert, was wenig Kraft erfordert. Mit zwei Schrauben ist die Belastung besser verteilt, aber der Verschiebebereich in der Mastspur kürzer.

„Kannst du mal den Mastfuß losdrehen?“ Die Frage kommt nicht nur von Kindern. Der Standardmastfuß muss schon mit ordentlich Fingerkraft angezogen werden und sitzt nach dem Surfen – vor allem mit kalten Fingern – gefühlt doppelt so fest wie zuvor. Selbst im surf-Testteam ist die Auffassung von „fest“ sehr unterschiedlich: Was der eine gerade als „handwarm angezogen“ bezeichnen würde, bekommt der Nächste nach dem Boardtausch kaum wieder runtergeschraubt. Als Lösung dafür – und auch sonst als komfortable Variante – bieten sich flache Platten an, die dauerhaft auf dem Board bleiben und mit dem Power Joint über eine zusätzliche Steckverbindung mit Sicherungsfeder verbunden werden. In vielen Fällen kann die Platte auch in der Boardbag und in niedrigen Regalen montiert bleiben. Damit bleibt deine einmal gefundene optimale Position erhalten und die Montage geht jedes Mal viel schneller und leichter.

Während die Modelle von Duotone und Unifiber klassisch mit der Hand aufgeschraubt werden, wird die Chinook-Version mit zwei soliden Inbusschrauben befestigt. Der passende Inbus ist in den Mastzapfen integriert, die Platte lässt sich damit leicht und sicher festschrauben. Allerdings gehen mit der Doppelverschraubung in der Mastspur vorne und hinten je 3,8 Zentimeter des Verstellbereiches verloren. Bei normal langen Mastspuren wird dieser Bereich üblicherweise nicht genutzt. Bei speziellen, kurzen Mastspuren (Starboard Futura beispielsweise) könnte das unerwünschte Grenzen setzen. Durch die fehlende Mittelschraube wird der lange Chinook-Zapfen besonders tief verankert.

Für jeden Einsatzbereich findest du eine geeignete Sehne oder ein passendes Gelenk und die ideale Mastfußplatte.”

Drei verschiedene Verbindungen: US-Quickrelease, Euro-Pin und MTX

Euro-Pin, NeilPryde-System und US-Quickrelease (von links)Foto: Stephan GölnitzEuro-Pin, NeilPryde-System und US-Quickrelease (von links)

Das US-Quickrelease mit den zwei Druckknöpfen an der Seite ist der Urahn aller Systeme, der (Euro-)Pin kam als Alternative erst deutlich später auf den Markt und NeilPryde wollte mit dem MTX irgendwann die Vorteile beider Systeme verbinden.

Beim US-Quickrelease mit zwei seitlichen Druckknöpfen lässt sich vor dem Surfen sicher kontrollieren, ob die Verbindung auch vollständig eingerastet ist. Dagegen ist es grundsätzlich möglich, dass eine Pin-Verbindung nicht oder nicht vollständig eingerastet ist. Üblicherweise hört und spürt man das Einrasten der Schiebefeder in den Pin aber, und der sichere Sitz lässt sich auch durch Ziehen überprüfen. Bei einigen Modellen für Pin, wie der S4LT (Seite 41 oben) wird die Feder nicht über einen Druckknopf betätigt, sondern von außen eingeschoben – das ist weniger komfortabel, dafür ist man immer auf der sicheren Seite.

Der Pin ist beliebig untereinander kompatibel, mit einer bekannten Ausnahme. Besonders lange Zapfen (alternativ bei Ascan oder GunSails erhältlich) sind, vor allem auf dem Wasser, leichter einzustecken, bei den meisten dünnen RDM-Verlängerungen ist das Loch allerdings zu kurz. Da hilft nur der beherzte Griff zur Metallsäge.


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