Stephan Gölnitz
· 24.10.2025
360-Grad-Kameras mit 180-Grad-Objektiven auf beiden Seiten haben bei On-Board-Kameras mittlerweile Oberwasser. Doch auch die klassische Kamera, mit nur einem Weitwinkelobjektiv, bietet noch einige exklusive Vorzüge. 360-Grad-Kameras sind bei der Montage, am Rigg beispielsweise, aber viel toleranter, weil du im Nachhinein die Blickrichtung im Film beliebig abspielen kannst. In der Mobil-App gelingt das intuitiv durch Drehen und Schwenken des Handys. Dadurch ergeben sich spannende Blickwechsel auf dich, auf andere Windsurfer - ob zum Spaß mit deinen Freunden oder bei einer Regatta. Die klassische Kamera erfordert mehr Planung und Vorausdenken: Was will ich filmen und aus welchem Winkel sieht das gut aus? Wie wird sich der Mast/die Gabel beim Surfen neigen? Für einen geraden Horizont beispielsweise muss man hier mehr mit- und vorausdenken. 360-Grad-Kameras erfordern dafür meist deutlich mehr Zeit in der Nachbearbeitung und bei voller Auflösung entstehen ganz schnell sehr große Datenmengen. Diese Datenfülle ist vermutlich auch der Grund für die geringere Serienbildgeschwindigkeit im Fotomodus. Wer seinen Frontloop als Foto perfekt fürs Poster in die Speicherkarte einbrennen will, schafft das mit einer GoPro bei 2 Bildern pro Sekunde vermutlich beim ersten Versuch. Die Insta360 dagegen gönnt sich nach jedem Bild drei Sekunden Zeit zum Abspeichern, da ist von einem Sprung vielleicht nicht ein einziges Foto dabei.
Im reinen Videomodus - und vor allem wenn man dabei selber ins Bild will - ist die 360-Grad-Technologie dagegen nicht zu schlagen. Du kannst im Nachhinein nahezu beliebig zoomen, drehen, schwenken und so dynamische Kamerafahrten mit nur einer einzigen Montage simulieren. Wenn du beim Filmen einen Stick benutzt: Kein Problem, den entfernt die Software bei DJI ebenso wie Insta 360 zuverlässig und automatisch.
Wenn du mit der Kamera aber auch mal aus deinem Blickwinkel und nicht nur nicht im Selfie-Modus filmen und fotografieren willst, kann die klassische Actionkamera teilweise mehr als Rundumkameras. Beispielsweise lässt sich mit engerem Blickwinkel mit wenig Verzerrung aus dem Wasser filmen oder fotografieren und für Fotos stehen mehr Pixel zur Verfügung. Dafür musst du die Perspektive vorab genau planen - oder dich eben mit der Kamera vor dem Auge ins Wasser begeben. Beide 360-Grad-Kameras bieten ebenfalls die Option, mit nur einer Linse zu filmen, das probieren wir zeitnah aus und liefern unsere Eindrücke nach.
Wer eine Kamera für die Montage an Rigg, Board oder Helm sucht und überwiegend Video filmt, ist mit der 360-Grad-Perspektive vermutlich am besten beraten. Natürlich ist die Datenmenge größer und die Nachbearbeitung etwas aufwändiger, aber die Möglichkeiten sind deutlich vielfältiger. Die Bearbeitung am PC macht aber nur mit einem geeigneten Rechner richtig Spaß. Wir haben beide 360-Grad-Kameras beim Windsurfen (bei Sonnenschein) montiert und anschließend die Videos in maximaler Auflösung in der Redaktion begutachtet: Beide Kameras liefern hervorragende Bilder, die Insta ohne Nachbearbeitung vielleicht etwas gesättigter und bereits eine Spur gefälliger, die DJI farblich minimal “flacher” was alles in der Nachbearbeitung individuell angepasst werden kann, aber auch jeden Fall für sofortige Nutzung super geeignet erscheint. Die klassische Kamera (wie GoPro Hero) kommt dann zum Zug, wenn du tatsächlich eine Blickrichtung favorisiert: dann kommen aber aber auch die aktuell immer häufiger erscheinenden Miniatur-Ausgaben (wie die Insta 360 Go 3S z.B.) ins Spiel, die sich noch besser am oder im Helm beispielsweise (auch beim Biken) montieren lassen. Die digitale Bildstabilisierung ist bei allen drei Kameras auf so hohem Niveau, dass “Verwackeln” kein Thema mehr ist. Im Folgenden stellen wir die Kameras nach unseren Praxiseindrücken vor, für ausführliche allgemeine Videoexperten-Meinungen empfehlen wir zusätzlich einschlägige Quellen wie chip.de oder andere.
DJI ist der weltweit führende Privatdrohnenhersteller, bekannt für exzellente Flugeigenschaften, aber auch für sehr gute Kameras in seinen fliegenden Kisten. Nach der klassischen Actionkamera ist seit August 2025 auch eine 360-Grad-Kamera im Programm.
Die Osmo 360 setzt dabei in der Formgebung auf ein anderes Gehäusekonzept als Platzhirsch Insta360, eher quadratisch, praktisch gut, so wie der eingebaute große 1-Zoll-Sensor, der echte 8K-Aufnahmen und besonders gute Low-Light-Eigenschaften ermöglichen soll. Bei DJI sind die vorstehenden Linsen für den Transport mit einer zusätzlichen Gummikappe geschützt. Die Linsen lassen sich bei starken Beschädigungen bei DJI zum Festpreis austauschen - wenn man beim Kauf die kostenpflichtige DJI Care Refresh abschließt. Zum Tausch muss man die Kamera einschicken, bei Insta kann man das am Spot selber erledigen. Die Handhabung der Kamera ist einfach, die Montage erfolgt über das eingebaute Gewinde oder den integrierten DJI Magnet-Schnapp-Schnellverschluss. Das Touch-Display fällt geringfügig kleiner aus als bei Insta360, regiert aber sehr gut und flüssig. Die drei Bedientasten sind nahezu selbsterklärend und ähnlich angeordnet wie bei Insta360.
DJI liefert auch gleich die passende Software. DJI Studio ist eine übersichtliche Schnittplattform mit den wesentlichen Features für Hobby-Filmer. Mit Hilfe von sogenannten Key Frames lassen sich Kameraschwenks beim Videoschnitt sehr leicht umsetzen. Das “intelligent tracking”, das ein Motiv auch bei Kameraschwenks automatisch im Fokus behält, funktionierte bei einem Surfer, der eng um die auf einer Boje montierte Kamera halste, leider nicht praktikabel. Die Software liefert einige Filter, dazu Tools zur Farbkorrektur und -bearbeitung, sowie eine Auswahl an Musik. Für Aufnahmen abseits des Windsurfens ist die automatische Entzerrung, bei der vermutlich sogar der schiefe Turm von Pisa gerade gerückt wird, interessant. Hierbei geht jedoch ein beträchtlicher Teil des möglichen Bildausschnittes verloren.
Im Praxistest erhielten wir aus der Kamera sehr schöne 360-Grad-Videos mit ebenfalls sehr guter Stabilisierung. Ohne jegliche Nachbearbeitung wirken die Farben geringfügig “flacher”, also etwas weniger gesättigt als aus der Insta. Das lässt sich in der App aber mit einem Knopfdruck automatisch auf dann sehr gesättigt umstellen. Eigene manuelle Feinjustierungen sind natürlich ebenfalls möglich. Extrahierte Einzelbilder (4K) aus einem 8-K-Video wirkten am Bildschirm bis etwa 50 Prozent Ansichtgröße ebenfalls ansehnlich, in der aktuellen surf 11-12/2025 ist ein extrahiertes Standbild aud Seite 44 oben gedruckt. Überrascht hat der Fotomodus: Bei sehr schlechtem Licht überzeugte die Kamera mit besonders geringem Rauschen. Bei mittlerem und gutem Licht lieferte die DJI aber nicht annähernd die Fotoqualität der GoPro Hero 13 black und auch nicht mit gleicher Detailzeichnung wie die Insta 360. Der Blickwinkel lässt sich auf vergleichsweise “eng” stellen, was weniger verzerrte und damit recht natürlich wirkende Aufnahmen ermöglicht. Top ist der integrierte Speicher von 105 GB - die Speicherkarte vergessen ist damit kein Drama mehr.
Mit der Osmo bringt DJI eine Kamera, die preislich deutlich unter Insta360 angesiedelt ist. Die Videoqualität (out of the cam) ist sehr ansehnlich, die Bearbeitung mit DJI Studio gelingt nahezu intuitiv. Für Videos ist die Osmo 360 eine echte, preiswerte Alternative im 360-Grad-Segment, im Fotomodus erzielten wir mit beiden anderen Kameras (etwas) bessere Ergebnisse.
Mit der länglichen Form liegt die Insta einfach geschmeidig, griffig und sicher in der Hand. Am Helm oder Rigg installiert wirkt die längliche Form optisch manchmal etwas gewöhnungsbedürftig. Die Klappen wirken beim Verschließen besonders solide, immerhin wird die Kamera auch als wasserdicht bis 15 Meter Tiefe angepriesen, immerhin 5 Meter mehr noch als die DJI Osmo. Zur Befestigung gibt es ein solides Innengewinde oder den integrierten magnet-mechanischen Schnellverschluss.
Die Insta-Software bietet die wesentlichen Features einer Videosoftware mit einer überschaubaren Auswahl an Tools und Optionen, was den Videoschnitt auch für Einsteiger ins Thema erleichtert. In der App kann die Kamera durch Schwenken des Handy gesteuert werden, in der App helfen, genau wie bei DJI, die “key frames”, einen harmonischen Kamerafluss zu erzielen. In der Handy-App lässt sich die Blickrichtung eines aufgezeichneten 360-Grad-Videos durch Schwenken des Handys intuitiv ändern und direkt als neues Video abspeichern. Zusätzlich sind bereits eingestellte “Kamerafahrten” verfügbar. Die wichtigsten Farbeinstellungen lassen sich per vorgefertigte Filter oder manuell am Handy oder in der Desktop-Version schnell anpassen.
Wie GoPro und DJI hört auch die Insta auf Sprachbefehle. Insta-Power-User Nico Prien empfiehlt die optionale Remote am Handgelenk. Die Bedienung über Touch-Display und vier funktionsknöpfe gelang gut und einfach. Die Insta360 X5 lieferte direkt aus der Kamera knackiges, farblich attraktives Videomaterial. Auch die extrahierten Standbilder können sich mehr als sehen lassen, einen Druck davon findest du in surf 11-12/2025 auf Seite 45 oben. In der Verwendung als Single-Lens-Kamera liegt die Kamera gut in der Hand, am Rigg montiert wirkt die längliche Form etwas gewöhnungsbedürftig, bringt andererseits die Linse nochmal ein kleines Stückchen weiter vom Montagepunkt weg als bei der DJI.
Die Insta360 X5 lieferte im Test top Bildqualität mit erfrischenden Farben direkt aus der Kamera. Auch die Standbilder und die Fotoqualität überzeugen.
Die GoPro ist nicht nur die leichteste Kamera im Test, sondern lieferte einfach die beste Bildqualität ab - wenn man tief in die Pixeldetails eintaucht. Hier werden alle Pixel auf einem begrenzten Bildausschnitt eingesetzt und das Objektive muss sich nicht so weit verbiegen und angestrengt volle 180 Grad permanent im Blick haben. Damit ist nicht nur die Linse hinter der flachen Scheibe besser geschützt, sondern auch der Einsatzbereich klar: Wenn du Fotos oder Videos machen möchtest, die vom Blickwinkel der klassischen Filmerei möglichst nahe kommen - aber natürlich mit der Option eines sehr großen Weitwinkels - ist so eine Kamera empfehlenswert. Dennoch bleibt der Blickwinkel eingeschränkt, du musst weit hinten an die Gabel oder an den Mast, um möglichst viel von Mensch und Material ins Bild zu bekommen.
Die GoPro wirkt mit der flachen Frontscheibe und dem kompakten Design handlich und am unauffälligsten. Die Linse ist deutlich weniger anfällig für Beschädigungen als die vorstehenden Froschaugen der 360er. Die Bedienung ist easy und mit der Sprachsteuerung kann zwischen Foto und Video beispielsweise gewechselt, sowie Aufnahmen gestartet und gestoppt werden.
Die GoPro liefert vor allem dann ab, wenn du beeindruckende Slow Motion produzieren willst. Da kommen die 360-Grad-Kameras nicht mit. Vor allem die 240fps bei 2,7K sind hier ein Meilenstein. Ein weiter Pluspunkt (wir sind ja Print-affin) ist die Serienbildgeschwindigkeit. Ein Surfer springt an dir im Wasser vorbei und - zack - hast du vielleicht gleich beim ersten Anlauf 2 bis 3 richtig gute Einzelfotos im Kasten. Ein Serienfotointervall von nur 0,5 Sekunden macht es möglich. Für solche schnellen, sicheren Wasser-Shots nutzen wir die GoPro-Variante (noch die “alte” Hero 9 - immer noch gut) auch beim surf-Test (siehe Foto oben). Für Videoaufnahmen erscheint uns die GoPro zumindest am Windsurf-Rigg allerdings mittlerweile zu limitiert. Vielleicht macht diese Perspektive aus Sicht des Surfer (auf dem Helm) bei Regatten Spaß, ansonsten ist für ein abwechslungsreiches Video zumindest der Wechsel der Montagepunkte hilfreich um verschiedene Perspektiven zu erhalten.