InterviewBenjamin May über die Faszination “Big Air”

Manuel Vogel

, reemedia

 · 21.06.2025

Darf's ein bisschen mehr sein? Wingfoil-Pro Benjamin May sagt da nicht nein
Foto: GWA Wingfoil World Cup
Je höher, desto besser! Was die Faszination der Disziplin Big Air ausmacht und wie auch Hobby-Wingfoiler höher springen können, verrät Profi Benjamin May im Interview.

Der in München geborene Profi-Wingfoiler Benjamin May gehört in der Disziplin Big Air zu den besten Fahrern der Welt. 2023 wurde er beim Big Air World Cup in Pozo Vize-Weltmeister. Was die besondere Faszination dieser Disziplin ausmacht und mit welchen Tricks jede Wingfoilerin und jeder Wingfoiler die eigene Sprunghöhe steigern kann, erklärt er hier:

Benjamin, springen wollen viele Wingfoiler. Und dann darf es gern noch höher sein. Aber ab welcher Höhe ist ein Sprung ein „Big Air“?

Um ehrlich zu sein, ist das schwierig zu sagen. Meiner Meinung nach zählt ein Sprung dann als Big Air, wenn er über deiner eigenen Standardhöhe ist. Heißt: Wenn du im Schnitt zwei Meter hoch springst, dann aber einen sechs Meter hohen Sprung machst, ist das auf jeden Fall Big Air. Im Wettkampf werden die Sprünge so ab zehn Meter aufwärts gut gewertet. Je nachdem ob es ein Straight Air ist oder ein Invertet Trick. Aber prinzipiell ist die Definition da ganz frei. Hohe Sprünge schauen immer spektakulär aus.

Du bist auch deshalb Wingfoiler geworden, um möglichst hoch zu springen, oder?

Ja, Wingfoilen gibt mir einen guten Adrenalinkick. Und, ja, man muss wissen, dass ich Wingfoiler bin, weil ich daheim in Otterfing, einem kleinen Dorf südlich von München, nicht viele Möglichkeiten und Platz habe, um zum Beispiel einen Kite starten zu können. Da bietet sich das Wingfoilen gerade bei mir daheim perfekt an. So kann ich genügend in der Luft unterwegs sein kann.

Du bist 2023 Vize-Weltmeister im Big Air in Pozo, Gran Canaria, geworden und 2024 hast du genauso einen hervorragenden vierten Platz eingefahren. Was macht es aus, nicht nur hoch, sondern noch höher zu springen?

Viel Wind ist erstmal eine Grundvoraussetzung, um möglichst hoch zu springen. Zusätzlich hilft eine steile kraftvolle Welle. Meist ist es sogar besser wenn sie leicht von der Seite kommt und gar nicht von vorne frontal auf einen zurollt. Denn dadurch verlängert sich die Strecke für den Anlauf und es ist besser zu kontrollieren.

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Benjamin May beim World Cup PozoFoto: GWABenjamin May beim World Cup Pozo

Wie hoch sind überhaupt die Top-Athleten gesprungen?

Mein höchster Sprung während der Competition lag bei knapp 11,5 Metern mit einem verzögerten Frontflip. Malo (Guénolé, die Redaktion) ist noch ein bisschen höher gesprungen und hatte ein paar Sprünge mit 12,5 Metern. Im Schnitt lag die Höhe der Jumps bei den besten Fahrern zwischen zehn und 13 Metern.

Gilt bei Big Air Contests die alte Grundregel „je mehr Wind, desto höher“?

Grundsätzlich schon, also 35 Knoten sind besser als 30 und 45 Knoten sind besser als 40. Aber ab einem gewissen Punkt ist da zu viel Wind im Spiel. Bei 65 Knoten Wind fliege ich auch nicht mehr höher. Theoretisch könnte man noch höher fliegen, allerdings wird es mit zunehmendem Wind immer anspruchsvoller, die Wings überhaupt noch zu kontrollieren. Deswegen greift man bei Windgeschwindigkeiten ab 50 Knoten schon zum kleinsten 2.5er Wing. Der hat aber so wenig Fläche, dass er meine gut 80 Kilo Körpergewicht gar nicht mehr richtig trägt. Ein größerer Wing macht dann kaum noch Sinn, da es dann fast unmöglich wird, überhaupt noch geradeaus zu fahren.

Wieviel Wind habt ihr beim Big Air World Cup in Pozo gehabt?

2024 war es gar nicht so viel, also etwa 28 Knoten. Da habe ich Wings mit 4,0 oder 4,5 Quadratmetern benutzt. Im Jahr zuvor waren es Böen bis zu 50 Knoten, da ging es höher hinaus. Für die Big Air Disziplin nutze ich immer etwa einen bis 1,5 Quadratmeter größere Wings als ich sonst fahren würde.

Wie hältst du das überhaupt auf dem Wasser durch? Einen 4,5er Wing bei 28 Knoten zu fahren, das muss doch tierisch auf die Arme gehen...

Mit so angepowerten Wings fahre ich grundsätzlich ein Trapez, denn irgendwann würden sonst die Hände schlapp machen. Im Trapez fahrend kann ich hingegen die Arme zwischendurch mal ausschütteln und der Muskulatur gewissermaßen eine „kleine Pause“ gönnen. Das ist für mich förderlich, auch wenn die meisten Wingfoiler nicht so überzeugt sind von Trapezen. Aber fürs Big Air ist das klasse!

Braucht man für hohe Sprünge zwingend Wellen?

Nicht unbedingt. Natürlich kann ein Kicker helfen, idealerweise aber läuft die Welle sogar etwas von Luv heran. Wenn die Welle frontal auf dich zu läuft, dann werden die Landungen sehr hart. Pozo ist der beste Ort, den ich für Big Air kenne. Ansonsten bin ich auch gern auf der Nordsee und dem Fjord im Norden Dänemarks unterwegs, denn bei Stürmen kann ich dort auch hoch hinaus fliegen. Wichtig bei der Spotwahl sind aber auch andere Aspekte: Was ist nach Stürzen? Wo treibe ich hin? In Dänemark gehe ich bei richtig Sturm deswegen lieber an die Fjorde um Big Air zu trainieren. Das sind schon klasse Rahmenbedingungen und ich kann nicht auf das offene Meer herausgetrieben werden, wenn mal was schiefgeht.

Hohe Sprünge schauen immer spektakulär aus

Welche Fahrtechnik-Tipps hast du für die surf-Leser parat, um höher zu springen?

Ganz wichtig ist die Geschwindigkeit, die du zum Absprung hin aufbauen kannst. Je größer der Speed ist, desto höher wirst du auch springen können. Ein Foil mit weniger Fläche ist hierzu also von Vorteil. Aber man muss nicht einfach nur viel Speed haben und auf Halbwindkurs abspringen. Kurz vor dem Absprung geht man auf einen leichten Raumwindkurs und luvt dann etwa 10-15 Grad an. Das sind jeweils nur kurze Momente, also jeweils vielleicht drei bis vier Meter.

Benjamin MayFoto: GWABenjamin May

Dann kommt der Take-Off!

Beim Take-Off ist die Schwerpunktverschiebung auf den hinteren Fuß wichtig. So generiert man mehr Pop. Anschließend empfiehlt es sich, in eine möglichst kompakte Position zu gehen, um Turbulenzen und Böen gut zu überstehen. Heißt: Beine an den Oberkörper ziehen und das Brett etwas in Richtung Lee strecken. Dadurch bleibt man kompakt und gerät nicht in eine Pendelbewegung wie bei einem Raley. Sonst kann es passieren, dass ab fünf, sechs Metern Höhe die Einschläge sehr hart werden, was nicht nur das Material zu spüren bekommt, sondern auch der eigene Körper.

Und wenn du dann in der Luft bist?!

Wenn du in der Luft bist, dann ist der Ablauf ähnlich zu einem normalen Sprung. Aber ein ganz entscheidender Unterschied ist da. Denn es ist bei einem wirklich hohen Jump wichtig, keinen Raley zu machen, das Board sollte also nicht Luv des Körpers sein, denn dann werden die Landungen hart.

Wie sieht eine geglückte Landung aus?

Im Idealfall hat man leichte Rücklage. Ähnlich wie beim Windsurfen ist der Impact am geringsten, wenn das Board nicht plan auf dem Wasser landet, sondern leicht schräg eintaucht.

Was kann bei diesen hohen Sprüngen schief gehen?

Wenn man sich langsam rantastet, passiert in der Regel nichts. Es ist aber ein Natursport, man kann nicht alle Faktoren kontrollieren. Dazu gehört auch das Windbild an der Wasseroberfläche vor dem Sprung zu lesen. Denn gerade bei böigem Wind können Luftlöcher entstehen, also ähnlich wie Turbulenzen im Flugzeug. Dann kann es passieren, dass man einfach herunterfällt! So hatte ich mir leider auch schon ein Band im Fuß gerissen. Allerdings ist das wirklich die Ausnahme und passiert auch nur, wenn man ungünstig fällt. Sonst gehört natürlich immer ein Restrisiko dazu.

Benjamin, danke für das Gespräch!

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