Manuel Vogel
· 15.05.2024
Guillaume Colin stammt aus Montpellier im Süden Frankreichs - viele Topspots der Region liegen direkt vor seiner Haustür. Klar, dass Guillaume sämtliche Wassersportarten macht - bis ein tragisches Unglück sein Leben komplett umkrempelt. Aber Aufgeben ist für Guillaume keine Option - er kämpft sich zurück aufs Wasser und seit einigen Monaten ist der 40-jährige sogar auf dem Foil unterwegs. Wie er das geschafft hat, verrät er im Interview.
Ich bin hier in Südfrankreich aufgewachsen. Die Möglichkeiten für Wassersport sind hier riesig und Surfen war schon vor meinem Unfall ein großer Teil meines Lebens. Ich war seit meinen Teenagerjahren leidenschaftlicher Windsurfer, Wellenreiter und habe auch Schneesportarten gemacht. 2015 hatte ich einen Unfall und bin seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt.
Ich suchte nach einer Möglichkeit, Spaß und Adrenalin in meinen Körper zurückzubringen
Ich bin in den französischen Alpen in einem Segelflugzeug mitgeflogen. Ich hatte keinen Bezug zum Fliegen, war quasi als Tourist unterwegs. Über die genauen Umstände will ich ehrlich gesagt nicht sprechen, aber es war eine tragische Sache. Ich war acht Monate lang im Krankenhaus und in einem Reha-Zentrum. Als ich da raus war, ging es mit Physiotherapie weiter. Es dauerte so knapp ein Jahr, bis ich sagen konnte, dass ich in meinem neuen Alltag angekommen war. Ich habe ein kleines bisschen Restgefühl in den Beinen. Wenn ich mich irgendwo festhalte, kann ich kurz stehen, aber ansonsten brauche ich den Rollstuhl.
Während der ersten Monate im Reha-Zentrum standen natürlich andere, elementare Dinge im Mittelpunkt. Ich habe mir aber relativ schnell nach meiner Entlassung Gedanken darüber gemacht, wie ich das geliebte Gefühl und den Adrenalinschub des Surfens wieder zurückbekommen kann. Mit all den schönen Sachen einfach aufzuhören, war nie eine Option für mich, also habe ich geschaut, was möglich ist. Als erstes habe ich begonnen, im Sitzen zu surfen und die Wellen abzureiten, auch Waveski genannt. Das ist ein großes Surfboard, auf dem ich sitzen kann und festgeschnallt bin. Irgendwann war ich bei Wettkämpfen dabei. 2023 bin ich mit dem französischen Team erster bei den Para Surf Weltmeisterschaften geworden, 2022 war ich Vizeweltmeister im Einzel. Während der Wintermonate gibt’s hier in Südfrankreich ganz gute Trainingsbedingungen mit Wellen und natürlich reise ich auch umher zu Contests oder zum Trainieren. Ich surfe jetzt eben auf eine andere Art und Weise, aber der Spaß den ich dabei habe, ist vergleichbar.
Ich war nie jemand, der sich mit der Vergangenheit beschäftigt hat. Ich blicke nur nach vorne
Ich habe angefangen wie jeder Andere auch. Erst nur mit dem Wing auf einem langen SUP, um das Handling des Wings zu lernen. Darauf war ich nicht festgezurrt und bin ziemlich auf dem Deck herumgerutscht. Aber ich habe sofort wieder das vom Windsurfen vertraute Gefühl gespürt, den Wind in meinen Händen zu halten. Danach habe ich mir einen Wing gekauft und ein Board. Das Brett musste ich natürlich erst anpassen lassen. Ich kannte die sitzende Position auf dem Board ja bereits vom Wave-Ski. Als gelernter Ingenieur beschäftige ich mich ohnehin mit technischen Lösungen für bestimmte Probleme und deshalb habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich in sitzender Position Wingfoilen könnte und welche Spannvorrichtung ich auf dem Board bräuchte, um sicher sitzen zu können. Ich habe also die Gurte und Fußschlaufen meines Wave-Skis von einem lokalen Boardshaper auf ein Wingfoilboard bauen lassen. Da mussten also zusätzliche Plugs eingebaut werden.
Als ich mein Material beisammen hatte, hat es eigentlich nur zwei oder drei weitere Sessions gedauert, bis ich erstmals längere Flüge geschafft habe. Mittlerweile kann ich meine Halsen durchfoilen und beginne, die ersten kleinen Dünungswellen abzureiten. Auch kleine Jumps habe ich schon geschafft, ich komme bei Wind zwischen 15 und 35 Knoten gut klar. In nächster Zeit möchte ich die Wende lernen, den Foil-360 und es schaffen, längere Downwind-Flüge zu machen. Und vielleicht auch erste Freestyle-Tricks. Warum nicht?
(Lacht) Ja, ich habe mich kürzlich angemeldet.
Ja, aber ich fahre nur mit, wenn die Bedingungen halbwegs moderat sind. Wenn es mit über 40 Knoten ballert, lasse ich es lieber sein.
Hilfe beim Foilen brauche ich nicht. Nur jemanden der mich und mein Material ans Wasser trägt
Ganz zu Beginn haben mich Freunde mit einem Boot begleitet. Hilfe brauche ich mittlerweile eigentlich nur auf dem Weg vom Auto ans Wasser und zurück, weil ich natürlich nicht mit dem Rollstuhl durch den Sand komme und auch mein Material nicht ins Wasser bringen kann. Sobald ich im tiefen Wasser bin, ist alles gut. Aber natürlich gehe ich nicht alleine aufs Wasser, sondern meist mit Freunden. Das Foilen ist eine echte Bereicherung für mich, letzte Woche war ich vier Mal draußen.
Ja, das klingt erstmal scary (lacht). Wenn ich stürze, schwimme ich manchmal mit dem Kopf nach unten wie ein Korken. Mein Gurt hat einen Schnellverschluss, den ich im Notfall auslösen kann. Aufs Board zu kommen und mich wieder anzuschnallen, das klappt ganz gut. Das ist allerdings nur nötig, wenn ich nach Luv, also weg vom Wing, umgekippt bin. Liege ich auf einer Seite mit dem Wing, ziehe ich mir diesen ran und nutze die luftgefüllte Tube, um mich aufrichten. Dann kann ich angeschnallt sitzen bleiben.
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Das ist in der Tat ein Problem beim Starten und hat mich zu Beginn eingeschränkt. Ich kann aufgrund meiner niedrigeren Position auf dem Brett ja den Wing nicht so weit nach unten bringen, wie es eigentlich nötig wäre. Deshalb nutze ich immer einen etwas größeren Wing, als bei Jemandem der steht. Jetzt hat der Hersteller Gong, die mich unterstützen, mir einen speziellen Wing angefertigt. Der hat eine besonders geringe Spannweite und ist super leicht, was die Sache beim Starten deutlich leichter macht. In erster Linie geht es um Spaß, aber ich hoffe, dass es auch andere Menschen mit körperlichen Einschränkungen motivieren kann, aufs Wasser zu gehen.