Para-WingBalz Müller im Para-Wing-Fieber - “Ich sehe eine unglaubliche Zukunft für diese neue Sportart”

Tobias Frauen

 · 05.10.2024

Balz mit seinem ersten selbstgebauten Para-Wing (links) und einer Vorstufe der aktuellen Prototypen
Foto: Tobi Frauen
Der Para-Wing ist das neueste Wellen-Spielzeug aus Hawaii, in Europa ist (natürlich) Balz Müller der Pionier. Die Idee: Man lässt ich vom Drachen nach draußen ziehen, verpackt ihn fix und kann dann die Wellen abreiten. Balz hat uns die ersten Mini-Drachen gezeigt und berichtet, wohin die Reise geht.

Man sieht dich ja immer mal wieder bei Instagram, wie du mit einer Ikea-Tüte oder einer Strandmuschel unterwegs bist. Wenn man jetzt deinen Mini-Drachen sieht, ist das ja offenbar gar nicht so absurd?

Genau, das hat so einen gewissen, ernsten Hintergrund. Ich möchte mich als Binnenländer Surfer nennen, aber viele glauben ja, wir haben keine Wellen bei uns zu Hause. Ich persönlich würde das bestreiten, die längsten Wellen meines Lebens hatte ich bei mir auf dem Neuenburgersee im Binnenland. Der See ist 42 Kilometer lang, man kann etwa 25 Kilometer lang auf den Windwellen downwinden. Und diese Windwellen haben die sensationelle Eigenschaft, dass die eigentlich sehr klein und kompakt sind, aber eine nach der anderen kommt. Also hast du immer Vortrieb. Aber man braucht immer ein Paddel oder einen Wing, um zunächst aufs Foil zu kommen. Beim Wing ist das Problem, dass er beim eigentlichen Surfen auf den Wellen eher im Weg ist und man ihm am liebsten wegschweißen möchte. Und da kommt jetzt der Para-Wing ins Spiel: Das ist eigentlich ein Gleitschirm, ein kleiner Mattendrache, mit etwa anderthalb bis zwei Meter langen Leinen. Den kann man in einer Sekunde zusammenpacken, sich unter das Lycra stecken und hat dann die Hände frei und kann sich voll auf Surfen konzentrieren. Wenn man dann reinfällt, packt man ihn wieder aus, schmeißt ihn in die Luft und zack, ist man wieder auf dem Foil. Ich glaube, das Potenzial davon ist Wahnsinn. Und ich sehe eine unglaubliche Zukunft für diese neue Sportart.

Wie bist du darauf gekommen? Wo hast du es zuerst gesehen?

Das waren die Hawaiianer! Eine Frau namens Cynthia Brown mochte das Paddeln nicht, weil sie dabei Probleme mit den Schultern hatte. Also hat sie einen einfachen Drachen genommen, der aber noch nicht steuerbar war, hat den einfach mal Raumschots vor sich aufgeworfen und kam so ins Fliegen. Dann kam sie auf die Idee, den Drachen zu verpacken und hat dann einen Downwinder nach dem Anderen gemacht. Das ist etwa zwei Jahre her. Damals hat niemand so richtig das Potenzial darin gesehen, dann kam der Pocket Wing, das war böse gesagt nur ein Fallschirm, der dich einfach gerade mit dem Wind zieht. Und jetzt kommt Boardriding Maui mit ihrem Maliko, das ist eigentlich der erste Para-Wing, den man einhändig steuern kann. Ganz simpel entwickelt, ein kleiner Lenkdrachen mit drei Quadratmetern, und mit dem heben die Jungs jetzt in Hawaii ab. Ich glaube, von denen wingt niemand mehr, die sind alle nur noch am Parawingen. Man kann easy rausfoilen, verpackt das Ding, surft zum Strand zurück, schmeißt den Para-Wing wieder hoch, meistens sogar noch auf den Foil, fährt wieder raus und das den ganzen Tag. Ich habe das immer beobachtet, aber ich dachte, dass es bei uns am See nicht funktionieren würde. Wir kommen nicht Upwind, wir haben Sideshore-Wind. Ich habe dann meinen 25 Jahre alten Lenkdrachen wieder ausgepackt und habe auch mal einen Versuch gestartet und tatsächlich konnte ich am Wind kreuzen, also ich kam Upwind!

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Ich träume tags davon, nachts davon, ich kann nicht genug bekommen von diesem Para-Wing-Zeugs

Das heißt, es ist wirklich ein Kinderspielzeug.

Es war ein Kinderspielzeug und der Einstieg ging viel einfacher als ich mir vorgestellt hatte. Ich dachte ‘Damnit, warum macht das noch niemand?’ Das wird nächstes Jahr anders aussehen. Da passiert gerade abartig viel, alle großen Marken drehen durch mit der Entwicklung. Bislang ist der Spaghetti-Salat noch garantiert, ich war schon oft auf dem Board und hatte all diese Leinen in einem Haufen. Aber ich bin überzeugt, da kommen jetzt wahnsinnige Entwicklungsschritte!

Die Leinen ordentlich zu halten, ist also derzeit das Hauptproblem?

Ja, die Leinen ordentlich zu halten und den Schirm auch so effizient zu entwickeln, dass er auch nach vorne zieht und nicht nur flattert. Aber eigentlich sind die Voraussetzungen schon da, es gibt Matten-Kites, die können das alles. Natürlich werden wieder die Hater kommen und sagen ‘Mach doch einfach 25 Meter Leine ran, dann kommst du easy raus und hoch.’ Der Clou ist aber das Zusammenpacken, Verstauen und dann wieder einfach Rausholen. Das verfolgt mich im Schlaf. Ich träume tags davon, nachts davon, ich kann nicht genug bekommen von diesem Para-Wing-Zeugs (lacht).

Mit welchen Boards funktioniert das Para-Wingen am besten?

Aktuell sind ja Midlength-Boards das Thema. Mein Downwind-Board war immer schon ziemlich kurz, eigentlich nur ein 6’3”er, weil bei uns auf dem See passen die größeren 9-Fuß-Boards gar nicht zwischen den Chop. Deswegen habe ich eigentlich schon immer ein Midlength-Downwind-Board gefahren, aktuell nutze ich ein 70 Liter Wing-Board. Du kommst so schnell aufs Foil, da reichen schon 800 Quadratzentimeter Frontflügel, also sehr kleine Foils. Also es müssen gar nicht die puren Downwind-Boards sein. Midlength-Board und Para-Wing auf dem See, das wird der absolute Wahnsinn.

Midlength-Board und Para-Wing auf dem See, das wird der absolute Wahnsinn!

Wie groß sollte ein Para-Wing sein?

Die Wind-Range von diesem Para-Wing ist ziemlich beschränkt. Ich fahre jetzt meistens 3 Quadratmeter, damit kann man im optimalen Windspektrum tipptopp aufs Foil kommen, aber wenn es ein bisschen weniger wird, wird es sehr anspruchsvoll, vor allem mit kleinem Foil. Aber die schlauen Leute nehmen einfach einen 6er und einen 4er Para-Wing gleichzeitig mit. Das wiegt ja nicht, das ist ein kleines, kompaktes Paket. Wenn der Wind ein bisschen schwächer wird, wirfst du den Größeren hoch und verstaust den kleineren am Trapez. Ich glaube, in die Richtung geht es. Man kann sich echt einen wegfoilen mit dem Zeug (lacht).

Sind dann vor allem erfahrene Downwind-Foiler die Zielgruppe oder richtet sich das auch an Einsteiger?

Ich glaube, Wingfoilen ist wahrscheinlich der einfachere Einstieg, weil es mit den Leinen und der Balance auf dem Board schon anspruchsvoll ist. Aber im Downwind-Spektrum öffnet sich eine total neue Welt für jedermann, weil man nicht mehr paddeln muss. Ich sehe ein Riesenpotenzial an Side-Shore oder Side-On-Shore-Spot, wo eine tolle Welle läuft, da kann man jetzt mit dem Para-Wing rausfoilen und dann reinsurfen. Und Surfen, das ist, was wir ja alle wollen, mit dem Foil einfach dieses Gefühl vom Gleiten, eine Möwe über der Welle sein, das ist ja der Traum von uns allen. Dazu kommt, dass jedes Kind Drachensteigen lassen kann. Und es ist relativ sicher, weil der Para-Wing nicht abgetrieben oder weggeweht wird wie ein Wing. Derzeit sinkt er noch relativ rasch, aber wir entwickeln gerade auch Safety Leashes und andere Features, da kommt ganz viel. Es kommen jeden Tag neue Ideen, alle Marken sind in den ersten Entwicklungsschritten und ich bin abartig gespannt, was da auf uns zukommt!

Kannst du einen kleinen Ausblick in die Zukunft geben? Während wir nächsten Sommer überall Para-Wings sehen?

Auf Hawaii sind angeblich nur noch Para-Wings auf dem Wasser. Und das ist ja das Mekka, das Fernrohr in die Zukunft. Ich bin überzeugt, bei uns am See wird man nächstes Jahr schon sehr viele Para-Winger sehen. Ich habe meinen ersten Tacks gepara-wingt, auch schon die ersten Halsen und die ersten Sprünge. Ich weiß nicht, ob Para-Wing Freestyle was wird, aber ich habe schon einen 360er gesprungen.

Das heißt, das Ding hat auch ein bisschen Auftrieb?

Es hat Auftrieb wie ein Gleitschirm! Wir bei Ensis entwickeln zusammen mit einem renommierten Designer aus der Gleitschirm-Industrie, der ist auch ein sehr guter Winger. Seit zwei Monaten hat er schlaflose Nächte wegen dem Para-Wing und ist Tag und Nacht in der Fabrik, um die Prototypen weiter zu entwickeln.

Welches Matreial verwendet ihr für die Para-Wings?

Das kam ursprünglich aus dem Drachenbereich, aber wenn es nass wird, verhält sich das speziell. Ich habe schon Para-Wings gehabt, die sich verkleben und nicht mehr starten. Wir nehmen jetzt Wing-Material, das als Gleitschirm verbaut wird, würde ich sagen. Aber die Theorie von beidem wird in der Praxis umgesetzt zu einem wahnsinnigen Produkt.

Ist das dann einlagig oder hat das Kammern?

Das kommt als Single-Skin. Eigentlich gebaut wie ganz simple Lenk-Drachen, aber da ist natürlich unglaublich viel Wissen drin, damit es ruhig fliegt. Wir bauen das ein bisschen als Hybrid, vorne ist was drin, damit der sich auf dem Wasser auch wieder aufstellt und einfach starten lässt. Aber ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, man kann einen erschwinglichen Lenk-Drachen kaufen und damit aufs Wasser gehen und die ersten Versuche starten.

Hast du da ganz knapp eine Anleitung, wie man das macht?

Ich habe eine Mastverlängerung genommen als Bar und habe daran die Leinen zusammengeknüpft Dann habe ich erstmal mit dem Skateboard getestet, wie es rollt. Die Schirme mögen es eigentlich nicht so nahe am Körper, direkt an den Leinen gesteuert zu sein. Und daran arbeiten wir gerade, dass diese Para-Wings eigentlich ultra ruhig fliegen, obwohl sie eigentlich an längeren Leinen sein sollten. Dann spielt man damit am Strand und vielleicht mal mit dem Skateboard, und dann kann man mal einen Versuch auf dem Wasser probieren auf dem Wasser. Das geht auch auf einem SUP, wahrscheinlich kannst du da nicht kreuzen zum Wind, aber mit dem Wind geht das auf jeden Fall. Da ist noch viel Pioniergeist gefragt, die Kreativität kennt keine Grenzen, man muss es einfach probieren!


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