Tobias Frauen
· 11.05.2023
Nur eine Herren-Elimination konnte heute beim World Cup am Gardasee gefahren werden. Alexandre Cousin gewann, dahinter landeten sensationell Michele Becker und Nico Prien! Zahlreiche Favoriten konnten im Finale nur zuschauen.
Was für eine Nervenschlacht! Eigentlich ist der Gardasee für sein zuverlässiges Windsystem bekannt, doch genau zur Rückkehr der PWA-Tour schwächeln Ora und Vento. Nach einem komplett verregneten Tag zum Auftakt sah es so aus, als ob heute die einzige Chance auf Wettfahrten besteht, deswegen ging es schon früh los für die Profis. Graue Wolken, Kälte und Wind am unteren Limit hatten so gar nichts vom erhofften Dolce Vita.
Der Tag begann gut für Michele Becker und Nico Prien, beide konnten ihren ersten Lauf gewinnen. Prien hat seinen Job bei Starboard aufgegeben, um den Fokus wieder mehr auf den Wettkampf zu legen, Becker hat gerade erst den DWC-Auftakt gewonnen und startet die Saison mit dem neuen Sponsor Patrik. Dort hat man offenbar ein gutes Händchen bewiesen, alle Patrik-Fahrer bekamen erst kurz vor dem Worldcup neue Foils und waren dem Vernehmen nach begeistert von der Performance - auch die Ergebnisse sprechen bislang für sich.
In der Vorrunde und den folgenden Viertelfinals gab es zunächst wenig Überraschungen. Lokalmatador Matteo Iachino fuhr ebenso souverän wie Weltmeister Maciek Rutkowski - der mit einem Sportpsychologen und einem Caddy angereist war, der stundenlang mit Ersatzmaterial und einer großen Tasche voll Verpflegung und Foil-Teilen in der Kälte umherdümpelte. Auch Enrico Marotti, Johan Søe, Amado Vrieswijk und Pierre Mortefon ließen zunächst nichts anbrennen.
Das sollte sich in den Halbfinals ändern, wie auch die Bedingungen. Zunächst musste wegen herumtreibenden Algen ein Start abgebrochen werden, im Verlauf des Vormittags kamen dann immer wieder Windlöcher hinzu. Außerdem zeigten einige Fahrer Nerven und produzierten Frühstarts in Hülle und Fülle. So auch der bis in die Haarspitzen motivierte Newcomer Johan Søe, der im ersten Halbfinale disqualifiziert wurde. Und auch Jordy Vonk und Enrico Marotti kamen nur ins B-Finale, obwohl sie sicherlich mehr erhofft hatten. Nico Prien und Michele Becker hingegen fuhren souverän auf Platz zwei und vier und damit ins große Finale!
Im zweiten Halbfinale sah es dann so aus, als ob auch Weltmeister Maciek Rutkowski es nicht in die Top 8 schaffen würde. Doch auf dem letzten Schlag vor dem Ziel konnte der Pole auf Platz fünf liegend noch Pierre Mortefon kassieren und schickte damit wiederum den Franzosen ins Losers Final. Auf dem dritten Rang in diesem Lauf landete mit Will McMillan ein bislang komplett unbekannter Name. Laut PWA-Kommentator Ben Proffitt ist McMillan ein erst 17 Jahre alter Brite, der in Australien lebt und für Thailand startet. Von der Segelnummer THA-1 könnten wir nach der starken Vorstellung am Gardasee im Zukunft noch mehr hören.
Der Plan der Wettfahrtleitung war, zunächst das Finale zu fahren, um ein Ergebnis sicher zu haben. Denn schon in den Damen-Läufen zuvor hatte der Wind in Torbole immer wieder geschwächelt und zu Abbrüchen geführt. So auch im ersten Versuch des Winners’ Final, also durften doch erst die Fahrer des kleinen Finales ran. Hier lief alles rund, Enrico Marotti gewann vor Pierre Mortefon und Ingmar Daldorf.
Rund um das große Finale entspann sich dann ein Drama, wie man es selten auf der World Tour gesehen hat. Vier Mal musste der Heat abgebrochen werden, wenn wir richtig gezählt haben - zweimal wegen zu wenig Wind, zweimal wegen Frühstarts. Beim ersten Mal ging Bruno Martini zu früh über die Linie, beim zweiten Mal traf es mit Matteo Iachino, Amado Vrieswijk, Maciek Rutkowski und Will McMillan gleich den Großteil des Feldes. “Das sind schwierige Bedingungen, je nach Winkel kann man da nicht einfach mal Geschwindigkeit rausnehmen mit dem Foil”, analysierte Co-Kommentator Scotty Stallman im Livestream. “Außerdem ist es das erste Rennen der Saison, alle sind hochmotiviert und wollen zeigen wie gut sie sind!”
Damit blieben nur noch drei Finalisten übrig: Neben Alexandre Cousin fuhren auch Nico Prien und Michele Becker um den ersten Sieg des Jahres. Und - wie Kommentator Ben Proffitt betonte - angesichts der mauen Vorhersage mit einiger Wahrscheinlichkeit auch den Event-Sieg und die Führung in der Weltrangliste. Nico Prien ging als erster über die Linie und führte das Rennen zunächst an, dicht gefolgt von Alexandre Cousin. Der Franzose - wie Michele Becker auf Patrik-Material unterwegs - machte Druck, doch Nico blieb zunächst vorne. Nach der zweiten Halse zog Cousin dann aber mit beeindruckendem Speed vorbei, an der folgenden Boje kam Prien dann kurz aus dem Fliegen und musste auch Michele Becker vorbeiziehen lassen. Das bedeutete am Ende einen Doppelsieg für Patrik und zwei Deutsche auf dem Podium!
Bei den Damen waren nur elf Starterinnen für den World Cup am Gardasee gemeldet, also gingen alle gemeinsam auf den Kurs. Jeder Heat war also gleichzeitig ein Finale! Im ersten Lauf konnte sich Justine Lemeteyer an die Spitze setzen, die beim letzten Event des vergangenen Jahres bereits ihre Klasse gezeigt hatte. Im zweiten Lauf gab es dann ähnliche Dramen wie bei den Herren: Windlöcher, Frühstarts und Disqualifikationen - darunter mit Marion Mortefon und Justine Lemeteyer auch zwei der Favoritinnen. Am Ende gingen nur vier Starterinnen ins Rennen, es gewann Femke van der Veen aus den Niederlanden.
Das war es dann auch, gegen Mittag schlief der Wind wieder ein und es konnten bislang keine weiteren Läufe mehr gestartet werden. Auch für die nächsten Tage sieht die Vorhersage alles andere als vielversprechend aus.