FahrtechnikDie besten Tipps zum Windsurfen in der Welle

Manuel Vogel

 · 13.06.2022

Fahrtechnik: Die besten Tipps zum Windsurfen in der WelleFoto: SAMUEL TOME

Wie du beim Windsurfen in der Welle deinen Stil verbesserst, die richtigen Wellen wählst und technisch gekonnt abreitest, erfährst du in dieser Fahrtechnik mit Flo Jung.

Mal sind sie klein und eine Stunde alt, mal gewaltig und tausende Kilometer gereist, bevor wir das Glück haben, sie auf ihren letzten Metern ans Ufer begleiten zu dürfen. Doch diese wenigen Sekunden reichen, um andere Menschen aus uns zu machen. Die Energie, Erhabenheit und manchmal auch die Urgewalt von Wellen ist absolut faszinierend.

Kein Wavespot auf der Welt ist wie der andere – Wind, Tiden, Swell und der Untergrund erfordern es immer, sich auf jeden Spot neu einzustellen – auch das ist Teil der Faszination. Das bedeutet einerseits, dass Waveriding nie langweilig wird, andererseits auch, dass es viel Erfahrung und Übung braucht, um in unterschiedlichsten Bedingungen gut klar zu kommen.

Windsurf-Pro Flo Jung hat in seiner langen Karriere unzählige Spots bereist und verrät euch im Folgenden die besten Tipps zu Wellenwahl, Timing und stylischen Turns.

Ein ordentlicher Spot-Check gehört auch bei Pros immer dazu
Foto: SAMUEL TOME

Neuland

Wie unterschiedlich Wavespots sind, kann man immer wieder im Worldcup beobachten. Nur weil man in Pozo der Maßstab ist, kommt man noch lange nicht in Hookipa klar – und umgekehrt. Insofern geht es Pros und Hobbysurfern bei einer Reise an einen neuen Spot ähnlich – man muss sich beim Windsurfen in der Welle etwas Zeit nehmen, um sich zu orientieren. „Bevor ich an einem neuen Spot erstmals aufs Wasser gehe“, so verrät Flo Jung, „schaue ich mir den Spot erst mal in Ruhe an. Wo brechen die Wellen? Wo kann ich einsteigen? Gibt es Gefahren wie Untiefen, Felsen oder Strömungen? Und wo komme ich an Land, wenn mal was schiefgeht, ich gewaschen werde und abtreibe? In jedem Fall sollte man andere Surfer beobachten und nach den Spotbesonderheiten fragen, das trägt wesentlich zur Entspannung bei.“

Bescheidenheit ist eine Zier

Wer erst mit dem Wavesurfen beginnt, tut gut daran, sich einen passenden Spot auszusuchen. Letztlich bringt es nichts, sich und andere in Gefahr zu bringen oder sein komplettes Equipment zu zerstören, nur weil man schon immer davon geträumt hatte, den heftigsten Spot zu surfen. Ideal für weniger geübte Waver sind Orte mit moderaten Wellenhöhen, sandigen und flachen Einstiegen und Sideshorebedingungen. Spots mit sehr auflandigem (onshore) oder ablandigem Wind (offshore) sollte man zu Beginn meiden.

Flo Jung kennt unzählige Wavespots auf der ganzen WeltFoto: Samuel Tome
Flo Jung kennt unzählige Wavespots auf der ganzen Welt

Kleines Wellen-Einmaleins

Wellen entstehen durch die Einwirkung des Windes auf das Wasser. In „kleinen“ Gewässern wie etwa der Ostsee ist das Auftreten von Wellen daher meist an vorhandenen Wind gekoppelt. Auf dem Ozean hingegen legen die durch Stürme entstehenden Wellen oft Hunderte oder gar Tausende Kilometer zurück und treffen dann, losgelöst von den lokalen Windphänomenen, als „Ground Swell“ auf die Küsten. Auf ihrer Reise sortieren sich die Wellen. Da die großen Wellen schneller laufen als die kleineren, kommen bei eintreffendem Swell immer erst die großen Wellen mit langer Wellenperiode an die Küste. „Ein Blick auf die Wellenperiode“, so erklärt Flo Jung, „verrät viel über die tatsächliche Höhe und Qualität des Swells. So hat ein Swell zum Beispiel mit der Vorhersage zwei Meter Höhe und 15 Sekunden Periode (Zeitraum zwischen den Wellen) deutlich höhere und kräftigere Sets als ein Swell mit drei Metern Höhe und einer Wellenperiode von zehn Sekunden.

Setwellen - die erste zieht glatt, die zweite geht ab...Foto: Samuel Tome
Setwellen - die erste zieht glatt, die zweite geht ab...

Apropos Sets: Unabhängig von Swell oder Windwelle gruppieren sich Wellen mit ungefähr gleicher Höhe. Diese Sets kommen dann meist mit drei bis fünf Wellen an die Küste, die Höhe der Setwellen kann oft doppelt so hoch sein wie die mittlere Wellenhöhe. Oft sind die erste und letzte Setwelle etwas kleiner als die mittleren Wellen – für Waverider bedeutet das: Falls möglich nicht die erste Setwelle nehmen. Bei einem Sturz bekommt man sonst die restlichen Setwellen um die Ohren. Auch beim Weg durch die Brandung hilft ein genaues Beobachten der Sets, um eine unliebsame Begegnung auf dem Weg nach draußen zu vermeiden.

Positionieren & Timen

Dass Profis es scheinbar immer schaffen, selbst kleine Wellen noch radikal zu surfen, liegt daran, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung immer am richtigen Punkt der Welle positioniert sind und darüber hinaus das passende Timing haben. Wo „der richtige Punkt“ genau ist, hängt auch davon ab, welche Art Brandungswelle man surft.

An einem Pointbreak brechen die Wellen immer am gleichen Ort, das macht ihn sehr planbarFoto: Samuel Tome
An einem Pointbreak brechen die Wellen immer am gleichen Ort, das macht ihn sehr planbar

Pointbreak: Als Pointbreak bezeichnet man Wellen, die aufgrund des Untergrundes (z.B. Riff) nicht auf ganzer Länge, sondern immer nur an einem Punkt brechen. In Verbindung mit der passenden Windrichtung – ideal sind
sideshore- und sideoffshore – ergeben sich manchmal Sahnewellen, die lange laufen und mehrere Turns nach Lee ermöglichen können. Pointbreak-Wellen haben den Vorteil, dass diese sehr gut lesbar sind. Da die Welle immer nahezu am gleichen Punkt bricht, kann man sich auch als Wave-Aufsteiger langsam herantasten. Je weiter man als Windsurfer vom Peak – das ist der Teil der Welle, der sich am steilsten auftürmt – wegbleibt, desto runder die Wellenschulter und desto ungefährlicher der Ritt. Je näher man sich an den Peak heranwagt, desto steiler die Welle und desto größer auch die Gefahr, bei einem Crash ordentlich abgeräumt zu werden. Flos Tipp: „Bei Pointbreaks sollte man sich zuerst vorsichtig rantasten und im Zweifel rechtzeitig nach Lee in Richtung Channel aus der Welle halsen. Man nähert sich als weniger erfahrener Wavesurfer also immer von Lee dem Peak. Dabei sollte man den Peak immer im Auge behalten, denn es gilt: Wer die Welle früher hatte und näher am Peak surft, hat Vorfahrt gegenüber dem Surfer auf der Schulter.“

An einem Beachbreak brechen die Wellen unregelmäßig, aber der Größe nach sortiert - die kleinen näher am Ufer, die großen weiter draußenFoto: Oliver Maier
An einem Beachbreak brechen die Wellen unregelmäßig, aber der Größe nach sortiert - die kleinen näher am Ufer, die großen weiter draußen

Beachbreak: Als Beachbreak bezeichnet man Wellen, die aufgrund des im Wasser flach abfallenden Untergrundes (z.B. Sand) nach Größe sortiert vor dem Strand brechen – die größeren weiter draußen, die kleineren näher am Ufer. Die meisten Wavespots in Europa sind Beachbreaks. Es ergibt sich ein vergleichsweise unsortiertes Wellenbild mit mehreren Peaks und einem größeren Weißwassergürtel. Je nach Wellenhöhe wechseln Größe und Position der Peaks, ein definierter Channel ohne brechende Wellen ist meist kaum auszumachen. Oft erlauben Beachbreak-Wellen unter 1,5 Metern Höhe nur einen einzigen Turn nach Lee, bevor sie auf ganzer Länge brechen. Flo Jung erklärt seine Taktik: „Viele Beachbreaks sind dadurch charakterisiert, dass es keine lange Schulter gibt, auf die man seine Turns setzen könnte. Oft hat man nur die Chance auf einen einzigen Turn mit Power. Deshalb positioniere ich mich zum Abreiten kleiner Beachbreak-Wellen in Luv des Peaks und versuche den Peak beim Cutback im richtigen Moment zu treffen. Mit der richtigen Positionierung und dem passenden Timing sind auch bei kleinen Wellen richtig radikale Turns und sogar Wave-Manöver wie 360er drin.“

Je auflandiger die Windbedingungen sind, desto früher musst du den Wellenritt einleiten, um im richtigen Moment oben an der Wellenlippe anzukommen.

Das richtige Timing

Einen Wellenritt richtig zu timen, ist kein einfaches Unterfangen – es gibt keine Blaupause dafür. Jeder Spot hat seine Eigenheiten und je nach Wind, Wellenhöhe oder Gezeitenstand ändert sich das Wellenbild sogar an ein und demselben Spot innerhalb kurzer Zeit. Trotzdem gibt es Dinge, die sich verallgemeinern lassen und die einem beim Finden des richtigen Timings helfen können. Flo Jung: „Generell ist das Timing an Wavespots mit schräg ablandigem Wind (sideoffshore) ein völlig anderes, als an Spots mit typischen „Euro-Bedingungen“, also mit Sideonshorewind. Weht der Wind schräg ablandig aufs Meer, wie das z.B. an vielen Spots in Südafrika, Chile, Maui, den Kapverden oder in Marokko der Fall ist, bleibt die Welle meist lange stehen, bevor sie bricht. Das bedeutet, dass man bei Sideoffshore-Bedingungen deutlich länger warten kann, bis man seinen Wellenritt beginnt.

Bei Sideoffshore-Wind wartet Flo länger, bis er den Bottom Tun einleitet, als bei Onshore-BedingungenFoto: Samuel Tome
Bei Sideoffshore-Wind wartet Flo länger, bis er den Bottom Tun einleitet, als bei Onshore-Bedingungen

Hast du eine Welle aufgepickt, positioniere dich am Peak und bleibe oben an der Welle. Tritt auf die Bremse, blicke vorne um den Mast nach Lee und warte, bis sich die Welle richtig aufgebaut hat. Erst dann holst du dicht und beschleunigst“, erklärt Flo.

„Bei schräg auflandigen Bedingungen beobachte ich häufig das umgekehrte Problem, nämlich, dass viele Surfer ihren Wellenritt zu spät ansetzen. Der Grund: In typischen Nordsee-Bedingungen vergeht vom Aufbauen der Welle bis hin zum Brechen in der Regel deutlich weniger Zeit als bei Sideoffshore-Bedingungen. Außerdem hat man, bedingt durch den Winkel des Windes, bei auflandigen Bedingungen einen längeren Weg, um bei Frontsideritten wieder hoch an die Wellenlippe zu kommen.

Unterm Strich gilt also: Je auflandiger die Windbedingungen sind, desto früher musst du den Wellenritt einleiten, um im richtigen Moment oben an der Wellenlippe anzukommen. Je stärker ablandig der Wind hingegen weht, desto länger kannst du warten, bis du den Bottom Turn ansetzt!“

Windsurfen in der Welle - Tipps fürs Abreiten bei Sideonshore-Wind

Neue Moves hin oder her – ein geschmeidiger Wellenritt ist zeitlos und immer ein Hingucker. Jeder Frontside-Wellenritt lässt sich in drei Phasen einteilen: Die Vorbereitungsphase mit der richtigen Positionierung, den Bottom Turn im Wellental und der Cutback (auch Top Turn genannt).

Bei typischen Euro-Bedingungen mit schräg auflandigem Wind und moderaten Wellenhöhen hat man oft nur einen Turn, bevor die Welle in sich zusammenfällt. Flos Ziel ist es daher, den Cutback direkt in den steilsten Teil der Welle, den Peak, zu zirkeln. Damit dies gelingen kann, positioniert er sich einige Meter in Luv des Peaks
Foto: Oliver Maier

Die typischen Fehler beim Wellenabreiten

Fehler 1: Beim Cutback fällt man unters Segel (1a-3a).

Foto: Oliver Maier

Der Grund dafür ist, dass man es in diesem Fall offensichtlich nicht geschafft hat, die Wellenlippe mit weit geöffnetem Segel anzufahren. Generell gilt: Je auflandiger der Wind, desto weiter muss das Segel bei der Anfahrt zum Cutback geöffnet werden. Flos Tipp: Halte das Segel mit der Segelhand konsequent geöffnet (1b). Ein Nach-vorne-rutschen der Segelhand Richtung Mast und das Beugen des Mastarms unterstützen das Öffnen des Segels (2b).

Foto: Oliver Maier

Fehler 2:­ Kein Speed im Bottom Turn

Foto: Oliver Maier

Egal ob Angleiten, Powerhalse oder Bottom Turn – wer die Arme anzieht und das Board zu weit hinten belastet, steht auf der Bremse und würgt den Speed ab (1). Genau genommen lassen sich mit Vorlage gefahrene Bottom Turns auch bei Flachwasser üben – in Form von sauber gecarvten Powerhalsen oder Race Jibes. Um das Brett weit vorne zu belasten, muss der Segelzug genutzt werden: Ein breiter Griff an der Gabel, das dichtgeholte Segel und das Strecken des Mastarms führen automatisch dazu, dass das Segel Zug aufbaut und dich mit Macht in die Kurve zieht (2).

Flo Jung gibt seine Erfahrung auch im Rahmen von Wave-Camps weiter: Infos gibt’s HIER auf der Seite der Surf & Action Company.