Manuel Vogel
· 12.12.2022
1996 reisten Sophie Louca und Paul Karaolides von Zypern nach Maui, liehen sich dort eine Kamera und legten den Grundstein für das heute vielleicht hippste Fotolabel der Windsurfszene – Fish Bowl Diaries. Ein Interview über Awards, die Suche nach dem perfekten Bild und die Grenzen von Photoshop.
Wer jemals den Produktkatalog oder die Homepage eines Windsurf-Herstellers betrachtet hat, dürfte schon über die unvergleichlichen Bilder von Fish Bowl Diaries gestolpert sein. Dass sich dahinter ein „altes Ehepaar“ verbirgt – Sophie Louca und Paul Karaolides sind bereits seit über 30 Jahren auch abseits der Kamera ein Team – wissen nur die Wenigsten. Wir haben einen Blick ins Goldfischglas geworfen und Sophie und Paul zum Interview gebeten.
Paul: Warum?
Sofie: Ja, um als reine Windsurf-Fotografen durchzukommen, hätten wir wahrscheinlich 25 Jahre früher hier sein müssen (lacht). Szene und Industrie sind nicht mehr so groß wie in den goldenen 90ern und Maui ist nicht gerade ein billiger Platz zum Leben. Aber nichtsdestotrotz kann jeder den Unterschied zwischen einem schnell geknipsten Foto eines Hobbyfotografen und Profi-Fotos sehen. Zum Glück sind wir nicht von Windsurf-Shootings abhängig und verdienen einen Großteil unserer Brötchen mit gewöhnlichen Sachen wie Hochzeits- und Portraitfotos.
Sofie: Natürlich machen uns die Shootings für Windsurfmarken wie Goya, Quatro oder Naish am meisten Spaß. Aber auch bei den anderen Aufträgen haben wir unsere Nische entdeckt – und die lautet „Wasserfotografie“. Wir shooten zum Beispiel Unterwasser-Portraits oder sogar Hochzeiten im oder unter Wasser, wie die von Worldcup-Profi Sarah Hauser. Das ist durchaus spannend und es kann eben nicht jeder.
Paul: Erstmals auf Maui waren wir 1996, ursprünglich stammen wir ja von Zypern. Dabei ging es nicht um irgendwelche Fotos, sondern darum, den Traum eines jeden Windsurfers zu verwirklichen. Windsurfen auf Hawaii! Dann kamen wir in den Jahren 1997, 2000, 2004, 2008 und seit 2011 kommen wir jedes Jahr für vier bis sechs Monate. Letztes Jahr hatte ich Glück bei der Green-Card-Verlosung und ich habe eine permanente Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Seit Oktober 2016 leben wir jetzt fest auf Maui.
Sofie: Im Jahr 2000 zogen wir von Zypern nach England um. Von unserem ersten Geld kaufte ich eine Kamera. Wir haben richtig amateurhaft angefangen, College-Kurse zu Fotografie belegt und dann Amorphia Photography gegründet, wo wir Hochzeiten fotografiert haben. Das waren noch die analogen Zeiten und man verbrachte viel Zeit in der Dunkelkammer. Bei unserem ersten Maui-Aufenthalt lieh ich mir eine Kamera von einem Onkel und nach unserem Trip hatte ich da diese vielen guten Bilder und keine Ahnung, was ich damit jetzt machen sollte. Mit dem Siegeszug des Internet habe ich dann eine Homepage gestartet und dort die Windsurf-Shots zusammen mit Interviews veröffentlicht. Zu Beginn wusste ich nicht viel über den Sport, den ich täglich fotografiert hatte und noch weniger über die Typen aus der Szene. Ich habe sie interviewt, aber auf eine andere Art und Weise als üblich. Dieses Zeug rund ums Material und Moves hat mich nicht interessiert, ich wollte die Menschen dahinter portraitieren.
Sofie: Ich wünschte, ich könnte eine spannende Geschichte dazu erzählen, aber es war einfach eine fixe Idee. Paul war zuerst wenig begeistert, aber das hat sich gelegt und heute sind wir froh, einen so prägnanten und einprägsamen Namen gewählt zu haben.
Paul: Ich denke, unsere Erfahrungen aus zahllosen Mode- und Portrait-Shootings haben uns definitiv geholfen, bessere Windsurf-Fotografen zu werden. Auch wie wir die Bilder hinterher noch nachbearbeiten macht einen wichtigen Teil der etwas speziellen Anmutung aus, den unsere Fotos haben. Auch dass wir als Team arbeiten – Sophie shootet von Land, ich zeitgleich aus dem Wasser – macht uns für viele Marken interessant.
Sofie: Heute gibt es unzählige Fotografen, jeder, der eine Digitalkamera halten kann, denkt sofort er sei Profi-Fotograf. Aber richtig gute Fotos zu machen, ist eben doch nicht ganz so einfach: Man braucht eben auch das Wissen darüber, wie man die Technik am besten einsetzt. Perspektive, Licht, Bildkomposition, alles muss passen. Wir haben in den analogen Zeiten angefangen, da konnte man noch nicht einfach herumknipsen und hinterher alles wieder löschen. Man musste sich noch Gedanken machen, denn jedes Foto kostete bares Geld. Und mit dem Übergang zur digitalen Revolution ist eben auch Photoshop ein Thema, das man beherrschen muss.
Paul (lacht): Ja, die Leute denken immer: „Wenn das Bild schlecht ist, dann photoshoppe ich es eben!“ Aber das funktioniert nicht! Wenn die wichtigen Bildinformationen nicht auf deinem Chip sind, kannst du das Bild mit Photoshop vielleicht etwas verbessern, aber ein wirklich gutes Bild wirst du auch dann nicht bekommen. Nur ein qualitativ gutes Bild mit den entsprechenden Rohdaten kannst du künstlerisch weiterentwickeln, um das „besondere“ Bild bekommen.
Paul: Sehr viel und genau das ist der Grund, warum so viele Außenstehende nicht verstehen können, dass ein Fotograf 500 bis 1000 Dollar am Tag kosten muss. Gemacht sind Bilder schnell, aber die im Bild enthaltenen Nuancen am Computer herauszuarbeiten, dauert manchmal über eine Stunde.
Sofie: Ein Großteil der Fotos wird von uns ziemlich radikal sofort wieder gelöscht, wir sind da ziemlich kompromisslos. Die wirklich guten Bilder werden dann nachbearbeitet: Horizont begradigen, Kontraste und Beleuchtungen herausarbeiten, nachschärfen, alle Rohdaten in das gängige JPG-Format umwandeln und so weiter. Die Computerarbeit macht den Großteil des Aufwands aus. Hinzu kommt, dass man für 50.000 Dollar Foto-Equipment im Schrank liegen hat. Allein unser 600mm-Objektiv hat 12.000 Dollar gekostet, die muss man erst mal wieder reinholen.
Sofie: Man muss sich an jeder Location auf die besonderen Umstände einstellen. Maui ist natürlich leicht für uns. Wir kennen jeden Spot und jede Perspektive und die Chance, dort gute Shots im Kasten zu haben, ist extrem hoch. Wenn man aber beispielsweise Fotos von Surfern in kleinen Nordsee-Wellen macht, würde ich empfehlen, eine möglichst niedrige Standposition einzunehmen. Dadurch sehen Wellen und Sprünge deutlich höher aus. Je höher man als Fotograf steht, desto nichtssagender und flacher erscheint alles.
Paul: Und wenn es dunkel und grau ist, dann nutze ich als Fotograf genau das und versuche die Action in dramatischer, bedrohlicher Weise einzufangen. Ich würde gerne öfter in dunklen Sturmbedingungen shooten...
Paul: Man muss sich einfach kurz Gedanken machen, was den jeweiligen Spot gerade besonders macht. Als ich das erste Mal in Pozo im Wasser lag, war das für mich eine heftige Umstellung. Ich schwamm wie gewohnt mitten in der Brandungszone und von allen Seiten flogen Surfer auf mich zu und landeten regelmäßig fast auf meinem Kopf. Außerdem stellte ich fest, dass mein kleines Objektiv mit 24-70mm Brennweite, welches in Hookipa im Dauereinsatz ist, den Spot nicht wirklich rüberbrachte – Windmühlen und Häuser waren nur als kleine Punkte im Hintergrund zu erkennen, die Bilder wirkten austauschbar. Also habe ich eine längere Linse gewählt und bin weiter von der Action weg. Dadurch rückten Action und Hintergrund näher zusammen, auf den Bildern sieht es so aus, als würden die Surfer direkt in die Windmühlen fliegen. Das Ergebnis waren bessere Fotos und dass mich nicht irgendein wahnsinniger Windsurfer gekillt hat.
Paul: Es gibt schon immer wieder gefährliche Momente zu überstehen. Ich weiß nicht, wie oft schon jemand direkt auf mir gelandet ist. Ziemlich oft jedenfalls. Man darf trotz aller Fokussierung auf das Motiv nie seine Umgebung außer Acht lassen und muss immer die Deckung oben behalten. Vor allem an Tagen mit viel Wind, dann wenn auch gesprungen wird, wird’s oft brenzlig. Mein Wassergehäuse jedenfalls ist übersäht mit Kratzern und Macken von Finnen und Riffen.
Sophie: Wenn wir auftauchen, ist das wie ein Magnet für die Pros. Alle schwirren um einen herum und wollen gute Fotos. Wenn es ums freie Fahren geht, würde ich sagen, dass Marcilio Browne über allen steht, er liefert die beste Action und es macht unglaublich Spaß ihn zu fotografieren. Wenn ein Contest wie das Aloha Classic läuft, bist du immer auf der sicheren Seite, wenn du die Kamera auf Victor Fernandez richtest, er surft unter Druck so gut und sicher wie kein anderer.
Paul: Wenn es darum geht in 15 Minuten so viele gute Wassershots wie möglich auf die Speicherkarte zu bekommen, sind definitiv Camille Juban und Bernd Roediger die besten Fotofahrer. Die surfen wie Uhrwerke und springen dir alles punktgenau direkt über den Kopf.
Sophie: In den letzten Jahren waren wir immer wieder für verschiedene Awards nominiert, wie den Big Wave Award der World Surf League, aber auch abseits der Surfszene. Die renommierte britische Society of Photographers zeichnete ein Bild von Paul als bestes Event-Foto aus, ich gewann mit einem Aloha Classic Shot von Bernd Roediger die Kategorie „Bestes Sportfoto“. Solche Auszeichnungen mit Bildern einer Sportart zu gewinnen, die es für gewöhnlich schwer hat, sich gegenüber anderen Sportarten zu behaupten, macht uns schon ein bisschen stolz.
Dieses Interview erschien erstmals in surf 7/2017