PWA und IWTLina Erpenstein und Philip Köster über die neue Wave-Tour

Manuel Vogel

 · 15.03.2023

Was denken Philip Köster und Lina Erpenstein über die neue Wave-Tour?
Foto: Samuel Tomé

Der Zusammenschluss von PWA und IWT verheißt eine traumhafte World Tour mit zahlreichen Events rund um den Globus. Aber was bedeutet das für die Fahrer? Lina Erpenstein und Philip Köster über traumhafte Spots, albtraumhafte Reisekosten und das Verlassen der persönlichen Komfortzone.

Professionelle Wavesurfer hatten es nie leicht. Um Sponsoren zu bekommen, war und ist die Teilnahme an Wettkämpfen obligatorisch. Die harte Währung waren stets die Ergebnisse auf der PWA Tour. Hier sind die Besten des Sports versammelt – wer hier besteht, gehört zur Elite. In der Disziplin Wave beschränkte sich die Tour in der Vergangenheit aber auf zwei oder drei Events pro Jahr. Das bedeutet: das ganze Jahr trainieren, um dann drei Events zu surfen. Wer Pech mit der Auslosung oder der eigenen Performance hatte, betrieb den ganzen Aufwand im schlechtesten Fall für eine Stunde Wettkampf pro Jahr. Hinzukommt, dass Spots wie Pozo, Sylt oder Teneriffa zwar durchaus veritable Bedingungen bieten können, aber auch teils unwürdiges Spektakel. Wer mal gesehen hat, wie sich die Weltbesten auf Sylt bei platt auflandigem Westwind durch den Shorebreak quälen und kaum einen Move zeigen können, weiß, was gemeint ist.

Auf der anderen Seite war da immer die IWT, die International Windsurfing Tour: Peru, Australien, Fidschi, Hawaii – die Liste der Tourstopps las sich stets wie ein Realität gewordener Traum eines jeden Windsurf-Pros. Hinter der traumhaften Fassade waren IWT Events aber meist eher spartanisch: Es gab weder Preisgelder noch professionelle Judges. Am Ende herrschten für jeden Teilnehmer also perfekte Bedingungen, aber ein dickes, finanzielles Minus unterm Strich. Lange Jahre galt das Prinzip: Profisport in Hobbybedingungen (PWA) oder Hobbysport in Profibedingungen (IWT)?

Der Wunsch, beide Welten unter einen Hut zu bekommen, ist nicht neu. Lange Zeit waren die Verantwortlichen von PWA und IWT aber, um in der Bildsprache zu bleiben, nicht ganz auf der gleichen Wellenlänge. Insofern war es eine kleine Sensation, als PWA und IWT Anfang des Jahres eine gemeinsame Wave Tour verkündeten. Die Dream Tour des Windsurfens. Wird jetzt also alles gut? Wir haben mit Lina Erpenstein und Philip Köster zwei Pros zum Interview gebeten und gefragt, was sie von der neuen Tour erwarten – und welche Herausforderungen es geben könnte.

Inwiefern hat euch der Zusammenschluss von IWT und PWA überrascht?

Philip: Na ja, komplett überraschend kam es für mich nicht, schließlich war das schon sehr lange im Gespräch. Leider ist bislang einfach nichts passiert. Für uns Waver gab‘s nur zwei, drei Events pro Jahr. Das Problem war immer, dass ein schlechter Heat dann das Ranking fürs ganze Jahr ruiniert hat, das war extrem frustrierend.

So wie bei dir 2022. Du hast zwei von drei Events gewonnen, aber ein schlechter Heat auf den Kapverden hat jede Titelambition zunichtegemacht.

Genau. Generell wird alles fairer, je mehr Chancen du hast. Insofern ist eine große Wave Tour mit neun Events, so wie sie derzeit geplant ist, sicher ein Vorteil. Das Problem wird natürlich sein, dass das bei vielen Teilnehmern das Reisebudget komplett sprengen wird. Die Top Fünf bis Top Zehn werden es machen können, dahinter wird‘s schwierig.

Auf den Kapverden konnte Philip Köster sein Potenzial nicht immer zeigen.Foto: John Carter/pwaworldtour.com
Auf den Kapverden konnte Philip Köster sein Potenzial nicht immer zeigen.

Lina, bei den Damen dürfte das Problem noch gravierender sein, oder?

Lina: Generell ist der Zusammenschluss eine riesige Chance. Für die Frauen war es in der Vergangenheit, denke ich, noch schwieriger als für die Männer. Von daher finde ich es gut, dass uns entgegengekommen wird. Es gibt sechs Events für Frauen, für die Endabrechnung zählen die besten drei Ergebnisse. Man kann also theoretisch nur drei Events mitfahren und am Ende Weltmeisterin werden. Bei den Männern sind es neun Events und vier Ergebnisse, die eingebracht werden müssen. Zu viel taktieren kann man natürlich nicht. Denn wenn du am Anfang der Saison Events auslässt und am Ende bei einem Worldcup kein Wind ist, und du nicht genügend Ergebnisse zusammenbekommst, bist du raus aus dem Titelrennen. Ich bin gespannt, wie sich das auf die Frauen-Teilnehmerzahl auswirken wird.

Die PWA ist ja eine Fahrervereinigung. Jedes Jahr gibt‘s beim World Cup Sylt ein Meeting, wo Probleme und Perspektiven besprochen werden. Trotzdem ist lange Jahre nie etwas grundlegend Neues passiert. Fehlte es an Ideen? Oder an einer Strategie?

Lina (lacht): Ja, PWA Meetings sind schon so ne Grenzerfahrung. Da wird auch so manches Hirngespinst debattiert. Leider ist das nicht immer produktiv.

Philip (lacht): Ja, und Ricardo (Campello, die Red.) schreit rein ...

... und würde gerne generell mit dem PWA-Flieger abgeholt werden. Aber im Ernst: Wer ist die von Fahrerseite treibende Kraft für Veränderungen – und warum ging so lange nichts vorwärts?

Philip: Ich halte mich da eher raus. Robby Swift ist von Fahrerseite sicher eine der treibenden Kräfte. Lange Jahre wurde nur der Status quo verwaltet mit den immer gleichen Events. Wenn du jedes Jahr nur drei Events surfst, und es dabei nicht mal einen funktionierenden Livestream gibt, ist es schwer, sich als Profisportler zu fühlen. Je mehr Möglichkeiten wir haben, uns zu zeigen, desto größer ist das Medieninteresse – und desto einfacher wird es in Zukunft, Sponsoren zu finden.

Wenn du jedes Jahr nur drei Events surfst, fällt es schwer, sich als Profisportler zu fühlen.” (Philip Köster)

Lina: Wir sind einfach aus diesem kleinen Format nie rausgekommen. Das lag aber auch daran, dass die PWA eine Fahrervereinigung ist. Es sitzen Windsurfer am Tisch, keine studierten Marketingexperten oder Manager. Es gab immer viele Ideen, die aber in den seltensten Fällen umsetzbar waren. In meinen Augen muss es erst mal um die Außendarstellung gehen. Wenn die besten Athleten an den besten Spots zusammenkommen, wird die Action atemberaubend sein. Das ist dann auch für externe Sponsoren interessanter als eine Tour mit den immer gleichen drei Events und mittelmäßiger Action. Die PWA hat immer Wert auf professionelles Judging, Preisgelder und vernünftige Rahmenbedingungen gelegt. Das hat natürlich einen Großteil des Budgets verschlungen. Für die Außendarstellung – wie etwa den Livestream – fehlte dann oft das Geld. Bei der IWT war es genau andersherum. Die Außenwirkung stand im Vordergrund, hinter den Kulissen war es dafür weniger professionell. Ich hoffe, dass wir jetzt das Beste aus beiden Welten verbinden können.

Die Budgets werden auch bei der Dream Tour erst mal nicht in den Himmel wachsen. Seht ihr die Gefahr, dass die Standards jetzt bröckeln werden? Niemand will vom Kumpel seines größten Konkurrenten gejudged werden, oder?

Philip: Klar, das Judging ist für jeden Fahrer wichtig – und auf der IWT haben sich Fahrer gegenseitig bewertet. Meines Wissens soll das PWA Judging aber der Standard werden.

Lina: Es wird sicher am Anfang ein bisschen experimentell werden. Beide Welten unter einen Hut zu bringen, wird nicht einfach. Aber es wird sich auch mit der Zeit verbessern. Erst mal ist es wichtig, dass es überhaupt passiert.

Vor welche Herausforderungen stellt euch persönlich der neue Tourplan mit neun Wave-Events?

Philip: Für mich bedeutet das natürlich mehr zu reisen. Ich bin ja jetzt auch Familienvater, aber das Reisen gehört natürlich zu meinem Job dazu. Es wird sicher einige Stopps geben, wohin mich meine Familie begleiten wird, etwa nach Maui, Sylt oder Teneriffa. Nach Japan, Chile und Fidschi werde ich aber vermutlich nur mit meinem Caddy fliegen. Aber man muss auch immer damit rechnen, dass der jetzt so toll aussehende Tourkalender im Laufe des Jahres noch etwas zusammenschmilzt. Viele Events sind noch nicht final bestätigt.

Lina: Ich denke, ich spreche für alle Frauen auf der Tour, wenn ich sage, dass die größte Herausforderung die hohen Reisekosten sein werden. Und auch für die Männer jenseits der Top 15 dürfte es teilweise schwierig werden, das zu stemmen. Ich werde definitiv nicht alle sechs Events fahren können. Man muss sich genau überlegen, was Sinn macht. Wo passen die Bedingungen für mich? Wo ist die Gefahr eines Flauten-Events am geringsten? Insgesamt glaube ich aber, dass die neuen Spots vor allem für das Frauensurfen eine große Chance sind. Wenn Frauen an so krassen Spots wie Cloudbreak (Fidschi, die Red.) surfen, wird das unser Standing bei Medien und Sponsoren deutlich verbessern.

Cloudbreak auf Fidschi ist ein echter Traumspot, oder?Foto: Fish Bowl Diaries
Cloudbreak auf Fidschi ist ein echter Traumspot, oder?

Auch für euer persönliches Training dürfte es Auswirkungen haben. Ihr seid beide absolute Weltspitze bei typischen Euro-Bedingungen mit Wind von links. In Peru, Japan oder auf Maui werden andere Dinge gefragt sein. Wie bereitet ihr euch darauf vor?

Philip: Ich ändere jetzt an meinem Training nicht viel, versuche aber natürlich, mehr bei Wind von rechts zu trainieren. Es ist ja nicht so, dass ich nicht schon öfter auf Maui war, um zu trainieren. Leider hatte ich oft Pech und selten Wind. Von den Kanaren ist es aber nicht weit nach Marokko, da werde ich in Zukunft sicher öfter mal hin. Japan kenne ich ja schon, daran habe ich gute Erinnerungen. Dort habe ich meine ersten Doppel-Loops bei Wind von rechts gemacht. Da standen die japanischen Surfer am Strand und haben immer gerufen: „Double! Double! Double!.“ Da musste ich durchziehen (lacht).

Es gab von diesem Tag ein kleines Video, in dem du perfekte Doppel-Loops mit Wind von rechts machst. Es sah nicht so aus, als hättest du das an besagtem Tag das erste Mal probiert.

Doch. Aber der Tag tat echt weh! (lacht). Es ist ein toller Spot, ich freue mich darauf.

Jeder muss raus aus seiner Komfortzone. Das macht die neue tour sehr interessant.” (Lina Erpenstein)

Was machen deine Wind-von-rechts-Skills, Lina?

Ich arbeite dran. Natürlich wählt man seine Trainingsziele anders, wenn man weiß, dass Japan oder Maui auf dem Plan stehen. In diesem Winter war ich mehrere Wochen in Brasilien und habe nur Wind von rechts gesurft. Am Anfang war das ein Zurückholen auf den Boden der Tatsachen. Ich musste komplett raus aus meiner Komfortzone. Nach einiger Zeit freundet man sich damit aber an – und jetzt klappen auch Pushloops schon ganz gut. Überhaupt das Sprunggefühl zu bekommen ist erst mal die größte Herausforderung. Insofern finde ich es beeindruckend, wenn Philip scheinbar nach einem Tag üben direkt auch Doppel-Loops auf rechts springt.

Lina hat in Brasilien bei Wind von rechts trainiert.Foto: CC Films
Lina hat in Brasilien bei Wind von rechts trainiert.

Philip, wie lange würdest du brauchen, um dich auf der „falschen Seite“ richtig einzugrooven und das gleiche Level wie bei Wind von links zu erreichen? Immerhin hast du ja beim Aloha Classic auf Maui auch schon mal ein Top-Zehn-Ergebnis eingefahren.

Philip: Puh, schwierig. Wind von links habe ich halt von Kindheitsbeinen an gelernt, da denke ich nicht groß nach. Ich merke immer, dass ich so nach acht bis zehn Tagen in den Flow komme. Dann klappen Doppel-Loops sicher, aber bei Pushloop-Forwards sehe ich noch kein Land. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Angst hätte, Dinge auszuprobieren. Mein Kopf weiß genau, was er tun muss. Aber die technische Umsetzung ist einfach nicht so perfektioniert, weil die Trainingsstunden fehlen.

Mit Fidschi, Kapverden oder Maui stehen ikonische Spots auf dem Plan, wo es nicht nur auf Mut und Können ankommt, sondern auch viel auf Erfahrung. Was überwiegt bei euch: Vorfreude oder Respekt?

Philip: Das hält sich die Waage. Cloudbreak auf Fidschi ist eine echte Herausforderung für jeden Pro-Windsurfer. Die Welle ist extrem kraftvoll und schnell. Ich bin da vor einiger Zeit mal zwei Wochen zum Trainieren hingeflogen – zumindest war das der Plan. Nach drei Tagen musste ich wieder abreisen, weil ich mein komplettes Material zerstört hatte. Deshalb fliege ich ja zu solchen Worldcups mit sieben, acht Boardbags voller Stuff. Mein Caddy Jorge freut sich schon (lacht). Hinzukommt, dass man natürlich mehr verschiedene Boards in petto haben muss. Auf Maui oder in Peru kannst du einfach nicht die gleichen Boards fahren wie auf Sylt oder in Pozo. Natürlich hatte ich meine Boards für die neue Saison längst bestellt, als die Ankündigung der neuen Dream Tour kam. Darum muss ich demnächst erst mal nach Thailand und eine weitere Ladung Bretter abholen.

Ich wollte zwei Wochen trainieren auf Fidschi. Nach drei Tagen hatte ich all mein Material zerstört.” (Philip Köster)

Lina: Ich bin ziemlich eingefahren auf mein Material und fahre tatsächlich fast in allen Bedingungen das gleiche Board, den Severne Nano. Nur bei Bedingungen am unteren Limit fahre ich den Pyro, weil der etwas gleitstärker ist. Daher hält sich bei mir die Umstellung zum großen Glück in Grenzen.

Auf Sylt sind Lina und Philip immer mal wieder zu Hause: 2023 wird sie die Tour aber noch an deutlich exklusivere Spots bringen.Foto: Carter/pwaworldtour.com
Auf Sylt sind Lina und Philip immer mal wieder zu Hause: 2023 wird sie die Tour aber noch an deutlich exklusivere Spots bringen.

Worauf kommt es in euren Augen an, wenn man 2023 Champion werden will?

Lina: Ich denke, dass auch bei den Frauen bald Double Loops und Wave-360s gezeigt werden. Das muss kommen! Und ich will gerne dabei mitwirken (lacht). Ich arbeite an meiner Loop-Technik und habe die ersten Doppel-Versuche in Dänemark bereits hinter mir. Noch fehlt mir ein bisschen die Dynamik in der Rotation, aber es ist ein Projekt, das ich angehen werde. Sarah Quita Offringa übt auch schon, und ich hoffe, dass wir uns in diesem Sommer gegenseitig etwas antreiben werden.

Wer sind so eure Sparringspartner auf dem Wasser?

Lina: An meinen Homespots bin ich natürlich viel mit Männern auf dem Wasser, aber während der Tourstopps genieße ich es sehr, mit Sarah Quita zu trainieren. Sie ist eine Konkurrentin, aber ein super Typ, mit dem man viel Spaß haben kann. Und wenn ich sehe, wie gut sie ist, spornt mich das natürlich auf einer anderen Ebene an, als wenn ich mit den Jungs auf dem Wasser bin.

Philip, du giltst etwas als Eigenbrötler. Früher hat man dich nie vor dem Event öffentlich trainieren sehen. Hat sich das geändert?

Nein, eigentlich nicht. Ich wohne zwar jetzt in Pozo, aber ich hab immer mehr mein eigenes Ding gemacht. Am liebsten surfe ich mit Jorge, meinem Kumpel und Caddy.

Du pusht also Jorge. Aber wer pusht dich?

Ich brauche den ständigen Battle nicht unbedingt. Und ehrlich gesagt sehe ich Hauptkonkurrenten wie Brawzinho und Riccardo Campello sehr selten. Die trainieren auf Maui, ich auf Gran Canaria. Deswegen ist der erste Event auch immer etwas spannend, weil dann die Karten auf den Tisch gelegt werden.

Wo geht das Level bei den Männern 2023 hin, Philip? Sehen wir endlich den ersten Triple Forward?

Ich denke immer mal wieder dran. Aber, puh, es ist schwierig.

Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass das mit der Hemmschwelle im Alter nicht gerade weniger wird.

Ja, das stimmt (lacht). Aber ich fühle mich bei meinen Doubles und Stalled Doubles immer wohler und werde auch den Triple Loop sicher mal wieder versuchen. Aber der Triple wird nie Wettkampf-Move werden, das ist sicher. Ich würde ihn gerne zeigen, aber im Wettkampf ist das Risiko einfach zu hoch.


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