ReportageDer erste Frontloop

Reportage: Der erste FrontloopFoto: Simon Hils
Für den Frontloop ist man nie zu alt!

Manche Moves werden niemals alt – der Frontloop gehört ohne Zweifel dazu. Passend zur neuen Fahrtechnik-Serie berichtet surf-Leser Bernd Neuschütz über seinen ersten Loop.

Manch ein Surfer wird „alt“ über die Sehnsucht, den Loop in den Griff zu bekommen. Bernd Neuschütz gehörte beinahe dazu. Doch mit damals 47 Jahren hat er das „Miststück“ doch noch geknackt.

“Auch wenn die Jugend heute eher nach Air Bob, Skopu und Co. strebt, ist der Frontloop nach wie vor das ewige Thema für uns „alte Hasen“. Wer träumt nicht davon, einmal hoch oben durch die Luft zu rotieren. So oder so ähnlich war es auch bei mir und nach viel harter Arbeit bei meinem ersten Ausflug nach Maui vor vielen Jahren war es dann endlich soweit: Ich war sicherlich nicht in der dritten Etage und die Landung war auch alles andere als perfekt, aber sofort stellte sich ein unbeschreibliches Glücksgefühl ein!

Doch zurück in Europa stellte ich fest, dass mir vorerst keine weiteren Rotationen vergönnt waren, sind hier doch nahezu alle Top-Wavespots mit Wind von links ausgestattet und die Umstellung auf die andere Seite alles andere als ein Kinderspiel. Achtungsvolle Blicke meiner Surfkollegen blieben also erst mal aus – war nun alles umsonst? Mir hat es über die Jahre einfach keine Ruhe gelassen. Versuche hat man natürlich reichlich hinter sich, aber es entwickelte sich nie so, dass daraus ein gutes Gefühl entstand, eher das Gegenteil war der Fall. Irgendwann habe ich es aus gesundheitlichen Gründen dann ganz gelassen und konzentrierte mich fortan meistens auf schöne Wellenritte.

Mit damals 47 Jahren hat surf-Leser Bernd Neuschütz den Frontloop gelerntFoto: Simon Hils
Mit damals 47 Jahren hat surf-Leser Bernd Neuschütz den Frontloop gelernt

Video-Analyse bringt den Durchbruch

Aber irgendwas fehlte: So ein Wavetag ganz ohne Rotation ist letztlich wie Maultaschen ohne Brühe. So griff ich zu neuen Methoden: Bei der Analyse von Videos ist mir dann irgendwann aufgefallen, dass Philip Köster, Marcilio Browne und andere Worldcupper beim Absprung zum Doppelloop ganz aufrecht stehen, das Segel komplett senkrecht bewegen und so eine mega Rotationsgeschwindigkeit bekommen. Auf diese Weise muss ich doch wenigstens irgendwie rumkommen, ohne dass es mich auf halbem Weg aus den Schlaufen haut, dachte ich mir.

Mit dieser neuen Erkenntnis wagte ich mich erneut heran. Das richtige Revier war mir dabei sehr wichtig. Eine kleine Welle in der Brandung und moderater Wind genau sideshore – das waren meine Wunschkriterien. Statt des Waveboards nahm ich meinen breiten Freestyler und ein 4,8er-Segel. Dieses Set-up läuft sehr leicht, man ist nicht so angepowert und kann sich eher überwinden, so der Plan.

Dann kam der Tag X. Alle bauten schon ab, für eine gute Wavesession war einfach zu wenig Wind. Ich zog mein Freestyleboard aus dem Bus, nahm allen Mut zusammen und peilte beim Rausfahren gleich die erste kleine Welle an. Die zirka 40 Zentimeter bauten sich vor mir auf und ich dachte an nichts mehr anderes, holte dicht wie ein Ochse und sprang ab. Okay, letztlich war es vielleicht etwas zu viel des Guten. Mit voller Geschwindigkeit kam ich rum, das Schothorn bohrte sich ins Wasser und ich wurde aufs Segel gezogen. Immerhin war ich noch in den Schlaufen und hatte die Gabel in der Hand.

Die richtige Technik schaute sich Bernd von Profi-Videos abFoto: Simon Hils
Die richtige Technik schaute sich Bernd von Profi-Videos ab

Auf einmal macht es Klick

So oder so ähnlich ging das dann etwa ein Jahr lang weiter. Öfters waren die Bedingungen nicht meine, oder meine Eier waren mal wieder nicht zu finden. Es dauerte bis zu meinem Sommertrip nach Klitmøller, als endlich wieder alles zusammen kam. Nach den ersten zehn Versuchen, bei denen ich immer wieder auf das Segel gezogen wurde, machte es Klick: Ich sprang nicht mehr ganz so hektisch ab, führte das Segel gefühlvoller nach vorne und siehe da: Ich schlug relativ kontrolliert ein und konnte einfach weiterfahren. Ich war völlig aus dem Häuschen. Der Freudenschrei war bestimmt noch in Hanstholm zu hören!

Der Freudenschrei war bestimmt noch in Hanstholm zu hören!

Ich konnte es einfach nicht glauben: Nach zirka 35 Jahren auf dem Brett habe ich dieses „Miststück“ doch noch bezwungen. Jetzt stellt sich nur noch die große Frage, ob man überhaupt noch stolz sein darf, wenn man sich so lange an diesem Manöver rumgequält hat... “

Anmerkung der surf-Redaktion: Du darfst so was von stolz sein – Respekt, Bernd1

Für alle, die auch vom ersten Loop träumen, gibt es ab surf 10-2022 die große dreiteilige Frontloop-Serie!

Dieser Artikel erschien erstmals in surf 8/2018