Tobias Frauen
· 26.11.2022
Wir steigen ins Archiv und werfen einen Blick in alte Ausgaben! Hier zeigen wir euch die besten Fundstücke, bemerkenswerte Test-Ergebnisse, skurrile Anekdoten und vieles mehr! In dieser Folge geht es zurück ins Jahr 1994!
Wir befinden uns auf dem Weg in die Moderne, das wird beim Blick in die surf-Ausgabe aus dem April 1994 sehr schnell deutlich: Schwerter sind nur noch selten zu sehen, durchgelattete Segel hingegen inzwischen Standard. Und schon im Titelbild sticht das dünne Näschen von Josh Angulos Board beinahe wörtlich ins Auge. Wir befinden uns an der Schwelle zur No-Nose-Ära mit schlanken Shapes, die im Gegensatz zu den früheren Dickschiffen sehr sportlich aussehen, teilweise aber kaum noch fahrbar waren.
Unter der Headline “Pure Agression” zeigt surf den “neuen Stil in der Welle”. Nachwuchs-Stars wie Josh Angulo und Jason Polakow skaten auf der Welle und sorgen mit radikalen Turns für Spray. Denn “die braven Ritte Marke Schulmädchenreport gingen Josh Angulo bereits als Youngster auf den Keks”. Auch verdrehte Aerials hat man vorher noch nicht gesehen. “Naish, Dunkerbeck und Co. hielten Joshs aggressive Rambo-Masche anfangs für ein Pubertätsproblem, das sich von alleine wieder legt”, schreibt surf-Autor Rainer Thiede. “Die Preisrichter wollen nur noch dieses radikale Zeug sehen” soll Robby Naish nach dem Ausscheiden beim Aloha Classic gewettert haben. An Josh Angulo gerichtet motzte King Robby weiter: “Die Kids fahren heute gar keine richtigen Bottom Turns mehr!” Der konterte: “Warum soll ich mich lange im Wellental aufhalten, die Action läuft sowieso oben an der Lippe!” Auch Robby Seeger “trainiert hart”, um sich dem neuen Stil anzupassen und prognostiziert: “Die letzten beiden Jahre prägte Jason Polakow, die nächsten gehören Josh Angulo.”
Acht Bretter haben den surf-Test nicht überlebt. Doch das war auch durchaus so gewollt, denn in einem Labortest wurden die Bruchfestigkeit, die Stabilität des Laminats und die Widerstandskraft der Finnenkästen unter die Lupe genommen. Dafür wurden die Nasen von Maschinen aufgebogen, um eine flache Landung zu simulieren, die Footpads 1000 Mal mit einer Art Stempel malträtiert und schließlich der Finnenkasten von einer Stahlfinne ausgehebelt - nichts für schwache Nerven also. Das Ergebnis: Fast alle Boards halten innerhalb der mit der Industrie definierten Grenzen stand, einige haben sogar erhebliche Reserven. Nur der Fanatic Mega Gecko knickt bei der ersten Belastung im Fersenbereich ein, auch der Bic Tempo hat hier Schwächen. Bemerkenswert auch die Ergebnisse von Tiga und Seatrend: Während sich die Nase des Thermoplast-Bombers sage und schreibe 22 Zentimeter verbiegen lässt, bevor das Oberdeck einknickt, führt die US-Box (!) des Seatrend einen “aufopferungsvollen Kampf gegen die Hebelkräfte einer Slalomfinne”.
No Nose is good nose? Im großen, dreiteiligen Frühgleit-Test treffen moderne No-Nose-Boards auf eher traditionelle Shapes. Bei den Race-Slalom-Boards gibt es zum AHD 288 eine beeindruckende Geschichte zu erzählen: Der damals frischgebackene Serienboard-Weltmeister Sebastian Carle zerstörte vor dem Worldcup-Debüt seinen Prototypen und startete notgedrungen auf diesem Serienshape. Am Ende stand der Franzose auf Platz zwei vor diversen Profis mit hochentwickelten Customs. Das zeigt, zu welcher Performance diese Brettklasse fähig ist - wenn man sie denn fahren kann. Ganz neu war damals der F2 Sputnik. Heute sind die Sputniks (später Thommen) legendär - zum Teil wegen ihrer Worldcup-Siege, zum Teil weil sie fast unfahrbar waren. Doch schon damals attestierte surf: “Allerdings ist auf allen Kursen und beim Halsen höchstes Fahrkönnen notwendig. Das Pfeifen der Finne und das Trommeln des Boards verschrecken die Gegner und nerven den Fahrer.”
Auch bei den etwas zahmeren Slalom-Boards Medium sind einige Boards nicht einfach zu fahren. Beim Fanatic Ultra Shark 291 “geraten [Manöver] auf der rutschigen Standfläche zu Eiskunstlauf-Figuren”, bei Tiga 285 LWR und Hifly 285 PX ist ohne hohes Fahrkönnen nix zu machen. Bemerkenswert in allen Gruppen: Einige Boards sind seit mehreren Jahren mit unverändertem Shape dabei, der Mistral Shredder ging 1994 sogar in seine sechste Saison!
Zum Mega-Test gab es für 29,95 Mark auch eine VHS-Videokassette zu kaufen - gefilmt von einer professionellen TV-Crew der PBA. Wir haben im Archiv gekramt und dieses historische Dokument in unserem Youtube-Channel hochgeladen:
surf-Autor Christian Tillmanns hat sich im Helikopter über Mauis Nordküste fliegen lassen, um neue, damals geheime Spots zu entdecken. Denn Hookipa, Kanaha und Spreckelsville sind häufig zu voll. “Einen Platz auf der Welle vor dem weltberühmten Maui-Strand zu ergattern, ist mittlerweile schwieriger als einen Stehplatz in der Tokyoter U-Bahn. An beidem sind maßgeblich die Japaner schuld.” Alternative zu Hookipa ist Lanes mit dem Zugang über Mama’s Fishouse, allerdings wird vor einschlafendem Winden gewarnt, denn “Die Lower Lanes sind kein Spaß, Gelegenheits-Wellenshredder haben hier nichts zu suchen!” Auch Spreckelsville - “oder ‘Spreckensiedeutschville’, wie es die Locals wegen der massenhaft auftretenden Europäer nennen” - schreit nach Alternativen. Diese bietet Camp One, allerdings mit Hindernissen: “Im linken, ‘ungefährlichen’ Teil von Camp One liegen die messerscharfen Korallen glatte 80 Zentimeter unter der Wasseroberfläche. Nach einem Sturz heißt es Beine hoch. Wer wie ein Hund nach unten paddelt, riskiert eine bleibende Erinnerung in Form einer Staph-Infection.” Anderswo ist in Wellentälern gerade einmal eine Handbreit Wasser unter der Finne - dafür war es damals noch relativ leer.