Von Kiel nach ÆrøNico Prien über seine Ostsee-Überquerung auf dem Windsurfboard

Manuel Vogel

 · 02.01.2023

Entspannt im Trapez abhängen und auf dem Foil über die Ostsee fliegen? Dass die Tour wesentlich härter war, berichtet Nico Prien im Interview!
Foto: Nicole Riederer Lightnic Photography

Als Nico Prien und Gunnar Asmussen im Sommer 2022 auf ihren Foils die Ostsee von Kiel nach Dänemark überquerten, landeten sie genau zwischen den beiden dänischen Inseln Langeland und Ærø. Sie entschieden sich kurz vor knapp aus taktischen Gründen letztere anzusteuern – genossen von dort den Ausblick Richtung Deutschland – und surften am selben Tag wieder zurück. Klingt einfach – war es aber nicht. Im Interview berichtet Nico ausführlich vom Ostsee-Crossing.

Die Facette des Touren-Surfens schien eine Zeitlang ein wenig in Vergessenheit zu geraten. Erst durch Leute wie Jono Dunnett, der ohne Begleitboot um ganz Europa gesurft ist, ist das ganze wieder ein wenig aufgelebt. Nico Prien fasziniert das Langstrecken-Surfen ebenfalls, und er tastete sich auf einer ersten, eintägigen Tour über die Ostsee an die Sache heran. Mit dem deutschen Speed-Champion Gunnar Asmussen auf dem Foil, und einer Foto- und Filmcrew im Begleitboot an seiner Seite, brach er auf.

Was waren deine Beweggründe, die Tour auf dich zu nehmen und von Kiel nach Dänemark zu surfen? War das eine spontane Aktion oder steckte viel Planung und Vorbereitung dahinter?

Naja, ich wollte das eigentlich schon seit Jahren mal ma- chen. Man steht in Schönberg am Strand, schaut rüber nach Dänemark und denkt sich, so weit ist das doch gar nicht, zumindest mit der passenden Windrichtung einfach immer geradeaus. Aber das ist es eben, es muss alles passen: Windrichtung, Windstärke, das Wetter, und es darf nicht zu spät immer Sommer sein, da man sonst ein massives Seegrasproblem da draußen haben kann. Außerdem wollte ich ein Begleitboot dabeihaben, aus Sicherheitsgründen und natürlich für die Foto- und Filmcrew. Man kann so ein Teamnicht wochenlang auf Standby halten, daher war es am Ende, als es dann von den Bedingungen her passte, doch eine ziemlich spontane Aktion – auch wenn ich den Gedanken, da rüberzusurfen, schon seit mehreren Jahren im Kopf hatte. Als die Vorhersage stimmte, habe ich zwei Tage lang rumtelefoniert, bis alles parat war. Der Gedanke im Kopf sollte endlich Realität werden. Es konnte losgehen!

Ihr habt euch für die Foil-Option entschieden. Was sind die Vorteile auf Langstrecke?

Die Foils sind heutzutage ein großer Vorteil, denke ich. Die Idee, nach Dänemark zu surfen, hatte ich wie gesagt schon länger im Kopf – auch bereits lange vor der großen Foil-Revolution. Die Aktion kam damals unter anderem nie zustande, da man auf der Finne deutlich abhängiger von der Windrichtung und Stärke ist. Außerdem kann man nicht so entspannt andere Winkel zum Wind fahren und man braucht insgesamt einfach stärkeren Wind. Bei über fünfzehn Knoten wird es ziemlich ruppig draußen auf der Ostsee – das Begleitboot hätte dann ziemlich kämpfen müssen – und unsere Knochen auch. Du kannst zwar auch mit der Finne pressen, aber nicht über mehrere Stunden. Da tut dir dann schnell der Rücken weh, weil du im Gegensatz zum Foil jeden Chop mitnimmst. Durch das Foil wurde also alles entspannter, effizienter und auch risikoärmer, da man eben nicht ganz so abhängig von der Windrichtung ist, um an sein Ziel zu gelangen.

Welches Set-up habt ihr verwendet? Euer normales Racing-Material, das ihr auch im Wettkampf fahrt?

Ja, genau, wir sind unser normales Racing-Set-up gefahren: 85 cm breite Bretter, mit einem kleinen Foil, mit einer Frontflügelfläche von etwa 500 cm2. Dazu Segel um die sieben Quadratmeter.

Wie seid ihr mit der Materialwahl da draußen zurechtgekommen? War das eine sehr schwierige Entscheidung?

Ziemlich schwierig, ja! Das war eine der größten Herausforderungen zu Beginn. In Schilksee bei Kiel, an unserem Startpunkt, kam der Wind ablandig. Es war also sehr schwer einzuschätzen, was uns da draußen Richtung Dänemark erwartet, beziehungsweise wie der Wind sich im Laufe des Tages entwickelt. Dazu kommt, dass man ja sozusagen an zwei verschiedenen Orten surfen wird. Die Wind- und Wellenbedingungen werden drüben in Dänemark nicht genauso sein wie in Kiel. Du musst dich mehr auf die Vorhersage verlassen als auf das, was du siehst. Auch wenn die Vorhersagen heutzutage meistens ziemlich präzise sind, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Wir haben uns letztlich dazu entschieden, lieber alles eine Nummer zu klein, als zu groß aufzubauen.

Bei der Materialwahl musst du dich mehr auf die Vorhersage verlassen, als auf das, was du siehst – ein mulmiges Gefühl.” (Nico Prien)

Wir dachten, das größere Übel sei, bei zu viel Wind das große Material über lange Distanz kontrollieren zu müssen und damit dann irgendwie nach Hause zu kommen. Der Wind sollte laut Vorhersage an diesem Tag insgesamt zunehmen und Richtung Dänemark immer stärker werden. Wir mussten uns also mit dem kleinen Material erstmal bei ziemlich wenig Wind aus Schilksee raus auf die offene Ostsee kämpfen. Aber auch da draußen wurde es die ersten zwanzig Kilometer nicht viel besser – wir haben die erste Hälfte der Strecke mit sehr leichten und böigen Winden gekämpft.

Du sprachst gerade schon die Streckenkilometer an. Wie lang war die Gesamtstrecke?

Auf der Ideallinie wären es 40 Kilometer pro Strecke gewesen. Insgesamt hatten wir am Ende aber hin und zurück 110 Kilometer auf dem Tacho.

Reine Luftlinie wäre jede Strecke nur 40 Kilometer lange gewesen. Doch durch das Kreuzen zur Insel Ærø wurden es am Ende 110 Kilometer. Foto: Nico Prien
Reine Luftlinie wäre jede Strecke nur 40 Kilometer lange gewesen. Doch durch das Kreuzen zur Insel Ærø wurden es am Ende 110 Kilometer.

Irgendwann hat sich der Wind dann etwas stabilisiert, oder? Ab wann wurde es für euch entspannter zu fahren?

So ab der Hälfte hat sich der Wind stabilisiert und speziell als bereits dänisches Land in Sicht war, hat er nochmal eine Schüppe draufgelegt. Es sind also nicht nur Gerüchte, es ist bewiesen: In Dänemark ist mehr Wind (lacht). Damit hat sich aber auch die Windrichtung etwas geändert und somit sind wir im Endeffekt zwischen den beiden Inseln Ærø und Langeland gelandet. Wir wollten eigentlich eine von den beiden ansteuern, sind dann aber durch den Winddreher genau dazwischen angekommen. Es musste eine Entscheidung her: Lassen wir uns nach Langeland abfallen und kreuzen auf dem Rückweg hoch, oder gehen wir jetzt hart an den Wind hoch nach Ærø und haben auf dem Rückweg etwas Raum gut. Da der Wind in diesem Moment recht stark war, haben wir uns dazu entschieden hochzukreuzen und sind somit auf Ærø gelandet. Dort haben wir eine perfekte Stelle zum Anlanden gefunden – was an der dänischen Steilküste keinesfalls selbstverständlich ist. Dann dort drüben mit der Crew an diesem schönen Strand zu stehen und endlich mal in genau die andere Richtung, nach Deutschland, hinüberzuschauen, war einfach ein schöner Moment.

Wir habt ihr da draußen die Orientierung behalten? Seid ihr einfach drauflosgefahren oder habt ihr ständig das GPS gecheckt?

Wir haben schon hin und wieder mit dem Skipper das GPS auf dem Handy gecheckt. Die Verbindung war jedoch nicht immer perfekt, so dass wir nicht immer unsere ganz genaue Position ermitteln konnten. Außerdem war der Wind zu Beginn so leicht, dass wir so gerade eben auf den Foils geflogen sind – wir konnten also unseren Kurs kaum anpassen und sind einfach so gefahren, wie wir auf den Foils gerade stehen konnten. In der Mitte der Strecke gibt es so etwa zehn Kilometer, auf denen man kein Land sieht. Da ist auch die Internetverbindung am schlechtesten und es war besonders schwierig, die Orientierung zu behalten.

Du hattest Gunnar Asmussen, den deutschen Speed-Champion, an deiner Seite. Wie kam es dazu? War es schwierig, Gunnar für das Abenteuer zu begeistern?

Gunnar hat halt immer richtig Lust aufs Windsurfen! Mir war klar, dass er dabei sein würde, wenn er Zeit hat. Und da dieses Mal alles passte, hatte er Zeit und ist mit mir an den Start gegangen. Wir haben auch einen sehr ähnlichen Speed, das ist von Vorteil, damit es sich über mehrere Kilometer nicht so weit auseinanderzieht, beziehungsweise dass nicht einer immer warten muss – und auf Gunnar muss man dabei sicher nicht warten (lacht).

Ihr hattet ein Begleitboot dabei – für die Foto- und Filmcrew und auch für die Sicherheit. Wäre das eine Option für dich: so etwas auch mal ohne Boot, allein, nur für dich zu machen?

Ja, tatsächlich vor allem aus Umweltgründen – ich hätte die Überfahrt gerne bewältigt, ohne so viel Sprit rauszuhauen. Vor zwei, drei Jahren hatte ich bereits mit einem Freund ausgetestet, wie weit die Internetverbindung auf der Strecke geht: Nach zwei Dritteln der Strecke bricht die Verbindung auf dem Smartphone abrupt ab. Das war mir dann ehrlich gesagt einfach zu unsicher, ohne Verbindung allein da draußen. Stell dir vor, der Mast bricht oder man verletzt sich und kann in der Mitte niemanden auf die Schnelle erreichen. Ich habe mich dann irgendwann einfach dafür entschieden es mit Beiboot zu machen.

Wer waren die armen Schweine, die auf dem Boot hinterhergefahren sind?

(Lacht). An die Crew auf dem Boot geht an dieser Stelle auf jeden Fall ein dickes Dankeschön raus. Das waren die Fotografin Nici Riederer, mein Videograph Lars Wichmann und der Skipper Niklas Engelmann. Das muss eine echte Tortur gewesen sein. Gunnar und ich sind da entspannt mit den Foils über die steilen Ostsee-Chops geflogen und haben nur im Augenwinkel gesehen, wie die Crew im Boot hin und her geflogen ist.

Hätte ich gewusst, wie schmerzhaft der Hinweg im Leichtwind werden sollte, wäre ich nach fünfzehn Minuten umgekehrt.” (Gunnar Asmussen)

Das kann ich mir vorstellen. Der Kurs, schräg zur Welle, ist auf dem Boot ja auch ziemlich undankbar. Konnte das Boot vom Speed her mithalten?

Zu Beginn ja – ganz knapp unter Vollgas. Als der Wind stärker wurde und somit auch die Welle höher, vor allem auf dem Rückweg, konnten sie nicht mehr mithalten und wir mussten immer wieder mal auf sie warten.

Wow – und das Boot war keine Gummiente, oder?

Nee nee, das war ein richtiges Motorboot. Sieben Meter lang, mit ordentlich Dampf. Bei Flachwasser fährt das Teil bis zu 38 Knoten. Dass sie auf dem Rückweg nicht hinterherkamen, war den Wellen geschuldet.

Wie lange wart ihr insgesamt unterwegs? Und wie schnell wart ihr durchschnittlich?

Wir waren insgesamt sechs Stunden unterwegs. Wir haben an dem schönen Strand auf der anderen Seite natürlich auch ein bisschen Pause gemacht, und auf dem Hinweg mussten wir, aufgrund von Windmangel, auch ein paar Mal pausieren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit hielt sich somit in Grenzen. Wenn wir in Fahrt waren, hatten wir so um die 25 Knoten drauf, das war unser durchschnittlicher Cruising-Speed.

Gab es einen Plan B, falls das Boot da draußen schlapp gemacht hätte?

Wir haben alles doppelt und dreifach gecheckt – das Boot war in einem sehr guten Zustand. Für einen echten Notfall hatte der Skipper Funkgeräte an Bord.

Es gibt keine Drohnenaufnahmen von eurem Trip. Wie kam es dazu?

Die haben wir versenkt (lacht). Als wir uns auf den Rückweg machten, hatten wir eine super schöne Szenerie mit der dänischen Steilküste im Hintergrund. Die Sonne kam raus und Lars hat die Race-Drohne mit der FPV-Brille auf (First Person View) hochgejagt, um uns beim Losfahren auf der anderen Seite ein Stück zu begleiten. Er saß bei Vollgas im Boot, war mit der Drohne irgendwann ziemlich weit davon entfernt und auf dem Monitor in der Brille das Boot aus den Augen verloren. Der Akku ging runter und er hat es nicht rechtzeitig zurückgeschafft – und zack, war das Teil versenkt.

Ist Touren-Surfen allgemein etwas, was auf dich eine große Faszination ausübt?

Ja, das ist faszinierend. Und nachdem ich jetzt selbst eine kleine Tour gemacht habe, noch viel mehr. Ich will mich da keinesfalls mit Leuten wie Jono Dunnet vergleichen. Aber dieses Gefühl, auf Tour zu gehen und etwas zu erkunden, und nicht nur in einem Radius von ein paar Kilometern an einem Spot seine Bahnen zu ziehen, ist einzigartig. Und es ist eine unglaubliche Belohnung, nach solcher harter, körperlicher Arbeit dann am Ziel anzukommen. Unterwegs hat man sehr viel Zeit. Zeit, ohne Ablenkung nachzudenken. Jono Dunnet hatte sicherlich sehr, sehr viel Zeit. Man ist da draußen, nichts um einen herum und alles wird leise – die Foils machen ja auch kaum Geräusche. Man kann einfach mal alles Unwichtige ausblenden.

Wie war es denn eigentlich insgesamt von der körperlichen Anstrengung für euch, sechs Stunden auf den Foils?

Ich glaube, bei perfekten Bedingungen, bei denen man schön cruisen kann, hätten wir das gut weggesteckt. Doch die Leichtwindphase auf dem Hinweg hat uns echt zu schaffen gemacht, weil man konstant den Rücken unter Spannung hat, um das Foil oben zu halten. Wir waren beide schon extrem fertig, als wir zurück in Kiel waren.

Das glaube ich. Hast du denn in Zukunft weitere Touren geplant?

Ja, ich möchte im kommenden Jahr auf jeden Fall eine weitere, etwas längere Tour starten. Vielleicht sogar mehrtägig, also mit Campingausrüstung und Proviant, aber das steht noch nicht fest.

Klingt gut, wir sind gespannt. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei deinen weiteren Touren!


Der Film zur Ostsee-Überquerung:


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