Manuel Vogel
· 01.05.2023
Vor 15 Jahren gründete Lutz Graichen die Marke Windflüchter. Ein Interview über das Revival der Custom Boards, Nachhaltigkeit und die ewige One Man Show.
Gleich geblieben ist eigentlich nur, dass ich immer noch fast alles alleine mache (lacht). Ich habe für bestimmte Bereiche, z.B. Designs, Logos, Website und das Testen natürlich Hilfe, aber den Löwenanteil stemme ich alleine. Es hat allerdings auch Vorteile, das Ganze nicht zu sehr aufzublähen. Abgesehen davon ist Windflüchter natürlich auch gewachsen. Am Anfang habe ich von Hand im Keller geshapt, seit 2013 gibt’s eine schöne Werkstatt mit CNC-Fräse. Um Bretter weiterzuentwickeln, ist die Fräse der wichtigste Schritt, weil du gezielt Shapeelemente verändern und Ideen auch 1:1 umsetzen kannst.
Ich versuche immer, mit kleinen Änderungen zu arbeiten, so kann ich ausschließen, dass es ein kompletter Fehlschuss wird, aber trotzdem eine Richtung erkennen. In jedem Board stecken viel Arbeit und Material und natürlich will ich nicht für die Tonne produzieren. Am Ende ist jedes Board was nicht funktioniert unnützer Müll und Umweltbelastung. Genauso wichtig wie die CNC-Fräse war aber, dass ich einen Anbieter gefunden habe, der mich mit hochwertigen Styroporkernen versorgt. Dabei handelt es sich um sehr dicht geschäumtes Material, ähnlich dem, das auch von Cobra in Thailand (größter Produzent von Windsurfboards, die Red.) verbaut wird. Je dichter der Kern geschäumt ist, desto stabiler ist natürlich die Basis für den ganzen Aufbau des Boards.
Mein Schwerpunkt liegt nach wie vor auf Wave- und Freewaveboards, das ist meine Kernkompetenz. Ich habe bestimmte Shapeideen, die aber individuell angepasst werden können und sich bezüglich Bauweise, Größe, Schlaufenposition, Finnensetup und Design maximal individualisieren lassen. Meine Boards sind leicht, aber nicht extrem leicht, denn sie sollen langlebig sein. Es wird viel diskutiert über Nachhaltigkeit, Bioharze, Boards aus Flachs und so weiter. Aber Windsurfboards werden in absehbarer Zeit nicht grün sein können. Es werden unterschiedliche Materialien verklebt und so lange es niemanden gibt, der die Einzelteile am Ende wieder trennt und recycelt, ist es nicht nachhaltig. Am besten ist es daher, Boards zu bauen, die lange halten, das ist mein Ziel. Idealerweise kam von den verkauften Boards keines zurück, denn jeder Rückläufer kostet mich Zeit und somit bares Geld. Solange niemand am Ende die Einzelteile wieder trennt, wird ein Board nicht wirklich nachhaltig sein können. Die beste Lösung ist daher, es lange zu benutzen.
Solange niemand am Ende die Einzelteile wieder trennt, wird ein Board nicht wirklich nachhaltig sein können. Die beste Lösung ist daher, es lange zu benutzen.”
Corona hat viele Leute dazu bewogen, mehr nach regionalen Anbietern Ausschau zu halten, das habe ich gemerkt. Allerdings beobachte ich auch, dass dieser Trend mit dem Ende der Pandemie auch wieder abgeebbt ist. Die Leute fallen zurück in ihre alten Muster und natürlich kann ich mit der Marketingpower der großen Marken nicht mithalten.
Wenn man wachsen wollen würde, müsste man gleich um den Faktor zehn wachsen, damit es funktioniert. Wenn du eine bestimmte Stückzahl verkaufen möchtest, musst du also erstmal den Apparat aufblähen und brauchst Leute für Marketing, Vertrieb und so weiter. Das ist natürlich auch ein gewisses Risiko und auch mit Investitionen verbunden. Und ich habe auch gemerkt, dass ich dafür nicht der Typ bin. Ich bin gerne nah dran an allem, was bei Windflüchter passiert.
Im Hinblick auf Prototypen-Entwicklung wäre das absolut interessant. Aktuell fliegen die Designer zum Teil extra nach Thailand, machen dort die Änderungen an den Shapes und im Anschluss werden dann die Prototypen per Container und Luftfracht um die halbe Welt transportiert, getestet und gehen abschließend in Produktion. Wir sind vor Ort, die Wege sind kurz und damit sind wir auch im Vorteil, wenn’s mal schnell gehen muss. Rechnet man Transportkosten und Zeit mit rein, dürften Prototypen bei uns nicht viel teurer sein als in Thailand. Bei den Wingboards der Marke Vayu funktioniert das bereits sehr gut: Wir entwickeln hier in Norddeutschland, bauen die Prototypen, testen nebenan auf der Ostsee und erst wenn ein Board in Serie gehen soll, wird es in Thailand produziert. Das wäre natürlich auch im Windsurfbereich denkbar.
Diese Trennung ist super, denn ich bin regelmäßig zwei Wochen am Stück nur in der Werkstatt, der Fokus liegt dann voll auf dem Shapen. Wenn ich zurück in Schweden bin, habe ich den Kopf frei für andere Dinge, zum Beispiel das Testen und Entwickeln oder neue Looks. Designs und Logo haben gerade ein Update bekommen, modern und frisch. Ich bin breit und voll motiviert für weitere 15 Jahre Custom Made Surfboards aus Norddeutschland.