Ziel Olympia“Ich weiß, dass ich jeden schlagen kann!” - iQFoil-Weltmeister Sebastian Kördel im Interview

Andreas Erbe

 · 08.01.2023

Sebastian Kördel und sein Coach Dom Tidey feiern bei der iQFOiL-Weltmeisterschaft in Brest überschwänglich den Titel.
Foto: Clement Quibel

Mit 31 Jahren ist Sebastian Kördel auf dem Höhepunkt seiner Karriere – bislang. Denn sein Weltmeistertitel in der olympischen iQFoil-Klasse soll nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 sein.

Bei der iQFoil-Weltmeisterschaft im französischen Brest im Oktober hatte Dominanz einen Namen: Sebastian Kördel! Von 14 Rennen vor dem alles entscheidenden Medalrace gewann der Konstanzer neun. Er konnte sich sogar erlauben, die letzten beiden Läufe abzuschenken und als Streichresultate einzubringen – und trotzdem war sein Abstand zum Zweitplatzierten so groß, dass ihm in jeder anderen Regattaklasse der Weltmeistertitel nicht mehr zu nehmen gewesen wäre.

Nicht so in der olympischen! Dort hat in den Finalläufen auch noch der Zehntplatzierte der 14 Vorläufe die Chance, Weltmeister zu werden. Und der Führende, egal, mit welchem Vorsprung er ins Rennen um die Medaillen geht, kann noch auf den dritten oder vierten Rang zurückfallen. Spannend für die Zuschauer, gnadenlos für die Sportler. Doch Sebastian Kördel hielt dem immensen Druck stand und holte als erster Surfer für Deutschland einen WM-Titel in der olympischen Klasse.

Und die boomt derzeit. Seit der Entscheidung des Weltverbandes, auf modernes Foil-Material zu setzen, sind für viele Regattafahrer Olympia und die Klasse attraktiv. Denn nun lässt sich, im Gegensatz zum Vorgänger RS:X, mehrgleisig fahren: Olympisches Windsurfen und nationale Rennserien, PWA-Worldcup oder IFCA-Meisterschaften schließen sich nicht mehr aus. Auch für Sebastian Kördel nicht, der noch kurz vor der Weltmeisterschaft in Brest beim PWA World Cup auf Sylt an den Start ging.

Zu wissen, im World Cup vorne mithalten zu können, stärkt auch das Selbstbewusstsein in der Olympiaklasse.Foto: John Carter/pwaworldtour.com
Zu wissen, im World Cup vorne mithalten zu können, stärkt auch das Selbstbewusstsein in der Olympiaklasse.

Wenn ich mich richtig erinnere, hast du beim World Cup auf Sylt erstmals eine PWA-Elimination gewonnen. Hat das etwas in dir verändert? Hat dich das selbstbewusster gemacht?

Sebastian Kördel: Ja, das war eine super Erfahrung auf Sylt, dieses Rennen zu gewinnen. Bis dahin war mir das im Slalom noch nicht gelungen, es war schon etwas ganz besonderes für mich. Ich erinnere mich noch genau an meine ersten Siege in den unterschiedlichen Rennserien auf Weltklasse-Niveau – beim Formula Windsurfing, bei den PWA Kursrennen und natürlich auch im iQFOiL. In diesem Moment bist du der Schnellste der Welt, und das fühlt sich unglaublich an!

Mit Sicherheit hat mir der Sieg der Elimination auf Sylt Rückenwind für die IQ-WM in Brest gegeben. Ich weiß jetzt nicht genau, ob es etwas in mir verändert hat, aber auf jeden Fall war das Momentum auf meiner Seite, als es an die Slalomrennen in Brest ging. Im Slalom ist die PWA unangefochten und mit Abstand die schnellste und beste Fleet der Welt. Zu wissen, dass ich mich gegen diese Konkurrenz durchsetzen und Rennen gewinnen kann, stärkt natürlich auch für zukünftige Rennen mein Selbstbewusstsein – egal, in welcher Klasse.

Im Slalom ist die PWA unangefochten die schnellste Fleet der Welt. Sich dort durchzusetzen, stärkt das Selbstbewusstsein.

Bei den letzten großen iQFOiL-Meisterschaften – mit Außnahme der diesjährigen Euro – warst du fast immer sehr konstant vorn dabei, aber es hat nie zum Sieg gereicht. Was war diesmal anders? Was war entscheidend, dass du ausgerechnet den Saisonhöhepunkt gewonnen hast?

Die Europameisterschaft dieses Jahr ging mit Rang 20 ganz schön in die Hose, das war das letzte große Treffen vor der WM. Ich hatte am ersten Tag durch eine fehlerhafte Schraube mein Renn-Foil im Gardasee versenkt und habe dann die ganze Woche über einfach meinen Rhythmus nicht gefunden. Ich habe zwar mehrere Rennen gewonnen, aber die Konstanz war einfach nicht da. Ich denke, es war ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren, die es mir ermöglicht haben, in Brest so auf den Punkt meine Bestleistung abzuliefern. Zusammen mit meinem Coach Dom Tidey haben wir es geschafft, die Performance stetig nach der EM aufzubauen und sind von Woche zu Woche schneller geworden. Zusätzlich haben wir uns weniger auf Materialtests konzentriert, sondern haben einfach mehr am seglerischen Können gearbeitet.

Wenn man Stunden damit verbringt, den besten Mast für das Segel herauszufinden, bringt einem das zehn Meter im Rennen. Eine gute, taktische Entscheidung im Kursrennen bringt 20 Plätze. Am Ende ist IQ eine Einheitsklasse, und die Vorteile werden größtenteils über das sportliche Können erreicht. Es hat mir viel geholfen, das Material zu vergessen und mich einfach auf mein Rennen zu konzentrieren. Dazu kommt, dass ich mit der unglaublichen Anspannung des Finaltages viel besser klargekommen bin als letztes Jahr. Mein Coach sagt mir immer, ich soll dem Prozess vertrauen – ich glaube, er hat recht. Wenn man wirklich alles gibt, Sebastian Kördel über die Prioritäten in der Vorbereitung besser zu werden, dann wird man das auch – und damit kommt eine gewisse Souveränität, die hilft, mit dem unglaublichen Druck klarzukommen.

Der perfekt ausgesuchte Mast bringt dir zehn Meter, die perfekte Taktik im Kursrennen 20 Plätze.

Beim letzten PWA-Event in Japan lief es nicht optimal, trotzdem bist du in der Jahreswertung in den Top-10. Bist du damit zufrieden und willst du auch zukünftig zweigleisig fahren?

Mir ist auf Sylt das Foil in der Brandung zu Bruch gegangen. Leider kam ich bis Japan durch logistische Engpässe nicht an eine neue Fuselage heran. Ich musste eine leicht andere Fuselage benutzen, die einfach nicht die gewohnte Performance zeigte. Dazu war nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft in Brest einfach ein bisschen die Luft raus. Es war ziemlich viel los direkt nach Brest, ich kam bis Japan eigentlich gar nicht zur Ruhe. Das habe ich auf dem Rennkurs ganz schön gemerkt. Natürlich hat es auch nicht geholfen, dass ich gleich in der ersten Elimination durch einen Crash ein schlechtes Ergebnis eingefahren und auch noch mein 9,0er verloren habe.

Ich hatte einfach nicht mehr genug Feuer in mir, um mich trotz des Materialnachteils durchzusetzen. Top-10 ist aber wirklich ganz okay für mich dieses Jahr. Ich war viel im IQ-Training und hatte nur wenig Zeit für die offene Klasse. Das wird 2023 nicht unbedingt besser. Gerade die erste Hälfte des Jahres ist so voll mit IQ, dass ich leider den ein oder anderen World Cup verpassen werde. Mir ist es aber trotzdem wichtig, wenigstens die Rennen mitzufahren, für die ich Zeit habe. Das heißt Sylt, Japan und vielleicht sogar Neukaledonien sind fest eingeplant. Ich will auf jeden Fall am Ball bleiben! Ich habe durch die Olympiakampagne so viel gelernt und bin mir sicher, ich kann auch die PWA ganz schön aufmischen, wenn ich mich wieder darauf konzentrieren kann.

Die IFCA hat es bereits gemacht, im DWC steht es wohl an – eine Trennung von Foil und Finne. Bei der PWA wird wohl auch wieder über eine Trennung diskutiert. Was hältst du davon?

Ich halte wenig davon, einen so kleinen Sport zu trennen und somit noch weiter in die Nische zu treiben. Beim DWC bleibt, wie ich das verstanden habe, erst mal alles gleich. Das Management wollte es zwar ähnlich gestalten wie bei der IFCA, aber die Fahrer haben sich bei der Hauptversammlung klar dagegengestellt. Das heißt, es wird ein Slalomkurs ausgelegt – und Finne und Foil können zusammen fahren. Im Worldcup wird das auch so sein, aber es wird darüber nachgedacht, ob das Material auf der Seite des Foils beschnitten wird, so dass dann beispielsweise zwei Finnenboards angemeldet werden müssen.

Ich finde das auch hier sehr problematisch. Wir haben doch in den letzten Jahren gesehen, wie das Teilnehmerfeld beim Worldcup immer kleiner wurde. Wir brauchen unbedingt neues Blut – und das kommt meiner Meinung nach am einfachsten aus dem IQ. Hier haben wir knapp 500 Teilnehmer bei großen Events, wenn man mal die Jugend mitzählt. Das ist ein unglaublicher Talentpool und es gab auch schon vereinzelt IQ-Fahrer, die in Japan mit am Start waren. 2024 dürfen nur 25 Fahrer zu den Olympischen Spielen nach Paris. Das heißt, es sind da draußen potenziell Hunderte junger Windsurfer, die gerne Rennen fahren und absolut auch das Können dazu haben, auf dem Foil am World Cup teilzunehmen. Wenn man jetzt aber mit Gewalt versucht, die Finne in den World Cup zurückzudrücken, dann schließt man diese große Zahl an potenziellen neuen Teilnehmern aus und verpasst damit die größte Chance seit Jahrzehnten, dem World Cup wirklich frisches Leben einzuhauchen.

Sebastian Kördel und sein Coach Dom Tidey feiern bei der iQFOiL-Weltmeisterschaft in Brest überschwänglich den Titel.Foto: Clement Quibel
Sebastian Kördel und sein Coach Dom Tidey feiern bei der iQFOiL-Weltmeisterschaft in Brest überschwänglich den Titel.

Nach deinem WM-Titel gab es von deinem Verein, dem NRV (Norddeutscher Regatta Verein), eine Prämie, von der Worldcupper nur träumen können – 50.000 Euro! Was war das für ein Gefühl, so eine, auch finanzielle, Wertschätzung zu erhalten?

Das fühlt sich super an! Zu wissen, dass der Verein so hinter einem steht und auch wertschätzt, was man leistet, erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit. Genauso schätze ich aber die Zusammenarbeit mit meinem Coach Dom, wir hatten schon seit letztem Winter die Abmachung, die Prämie zu teilen, sollte es soweit kommen sollte. Und was soll ich sagen? Dom sucht sich gerade ein schönes, neues Auto aus. Aber grundsätzlich hat es der NRV einfach verstanden. Der Club will Weltmeister und Olympiasieger – und wie sich eindeutig zeigt, muss man dafür einfach die Anreize erhöhen. Eine Woche nach meinem Titel haben Luise Wanser und Phillip Autenrieth den WM-Titel im 470er geholt. Also, zwei große Titel für den NRV in einem Jahr. Es scheint echt zu funktionieren.

Wie habt ihr den Titel gefeiert?

Als erstes habe ich meine Eltern angerufen und ich muss gestehen, dass ich vor Emotionen gar nicht richtig mit ihnen reden konnte. Aber das war in diesem Moment auch gar nicht so wichtig, wir haben uns auch ohne viele Worte verstanden. Nach ein paar weiteren Telefonaten mit Sponsoren und Unterstützern gab es dann ein feierliches Abendessen mit Freundin, Trainingspartnern und Coach. Danach ging es mit allen Fahrern in eine Bar in Brest – und danach noch weiter. Ist ziemlich eskaliert, es war hell, als ich wieder zu Hause war. Aber das ist, denke ich mal, okay nach so einem Erfolg. Auf jeden Fall schöne Erinnerungen! Da meine Familie zu diesem Zeitpunkt gerade in Tarifa war, gab es ein paar Tage später ein großes Wiedersehen in Spanien, es wurde weitergefeiert.

Hast du das Gefühl, dass dein Erfolg auch beim DSV etwas verändert in Bezug auf den Stellenwert des Windsurfens? In der RS:X Zeit wurde Windsurfen ja eher stiefmütterlich behandelt.

Ich hatte bis jetzt in meiner Zusammenarbeit mit dem DSV noch nie wirklich das Gefühl, dass das IQ Folien irgendwie vernachlässigt wird. Es wurde immer versucht, mir bestmöglich zu helfen und mir standen alle Türen offen. Außerdem hat mir der Verband einen super guten Coach besorgt und dafür bin ich dankbar.

Wie geht’s jetzt weiter? Mit so einem Erfolg werden natürlich in Deutschland sofort Erwartungen auf eine Goldmedaille in Marseille, wo die Segelwettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 stattfinden, geweckt. Wie gehst du damit um?

Es geht weiter wie gehabt, ich vertraue dem Prozess. Er hat mich zum WM Titel geführt, ich vertraue darauf, dass er mich auch nach Marseille bringt und werde hart dafür arbeiten. Das erste Trainingslager fand im Dezember in Tarifa statt und im Januar/Februar geht es auf Lanzarote weiter. Zwischen den Jahren war aber zum Glück auch etwas Durchatmen im Kreise der Familie möglich. Das hatte ich nach dieser Saison auch bitter nötig.

Gut Lachen – nach seinem WM-Erfolg belohnte der Norddeutsche Regattaverein Sebastians Leistung mit 50.000 Euro.Foto: John Carter/pwaworldtour.com
Gut Lachen – nach seinem WM-Erfolg belohnte der Norddeutsche Regattaverein Sebastians Leistung mit 50.000 Euro.

Was sind die Ziele für 2023?

Besser werden – und den Spaß an der ganzen Sache nicht verlieren! Wie immer. Eine Titelverteidigung steht im IQ an und auch im World Cup will ich wieder Rennen gewinnen. Ich freue mich schon drauf!

Glaubst du, du bist schon gegen den Olympiasieger 2024 gefahren? Oder kommen da in den nächsten zwei Jahren Konkurrenten, die man bislang noch gar nicht auf dem Zettel hatte?

Ich glaube kaum, dass ein ganz Neuer den Trainingsvorsprung, den wir Jungs jetzt haben, noch aufholen kann. Allerdings ist das auch meine erste Olympiakampagne und ich habe da keine Erfahrung. Ich weiß nur, dass ich jeden schlagen kann, auch wenn er noch so übermächtig erscheint – und die Erfahrung mit Olympia, die hat mein Coach, der war schon bei vier Spielen dabei.


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