Manuel Vogel
· 08.03.2023
Der 19-jährige Johan Søe schlägt im World Cup wie eine Riesenfaust ein und lehrt die Elite das Fürchten. Ein Interview über die sterbende Finne, das Nervenflattern auf der Zielgeraden und das Gefühl, seine Kindheitsidole zu versägen.
Gründe, um ordentlich auszurasten, gäbe es für Johan Søe genug am Tag unseres Interviews. Wenige Stunden zuvor hatte er beim World Cup auf Sylt der versammelten Weltelite die Stirn geboten. Er war Stammgast in den Finalläufen, schaffte in zehn Eliminationen viermal eine Top- 5-Platzierung und holte sich sogar seinen ersten Sieg in einem Finallauf. Zeit also, um „The Beast“ – wie er von seinen Kollegen im World Cup genannt wird - zum Gespräch zu bitten.
Ja, vielleicht. Wahrscheinlich zeigt es nur, dass sie mich wahrnehmen – und ich angekommen bin.
Ich habe natürlich nicht erwartet, dass ich hier auf Sylt eine Elimination gewinnen könnte. Aber ich war im Sommer 2022 bereits beim PWA World Cup in Kroatien dabeigewesen – das war mein erster World Cup überhaupt. Auch dort war ich zweimal sehr nah dran, ein Finale zu gewinnen, habe es dann aber vermasselt. Insofern wusste ich schon, dass ich grundsätzlich den Speed habe, um vorne mitfahren zu können. Dass es dann wirklich geklappt hat, ist natürlich großartig.
Ja, das war bitter. Ich lag eigentlich recht sicher in Führung, aber dann hab ich ohne Not eine Halse versaut und wurde nach hinten durchgereicht .
Klar wird man da kribbelig. Als ich auf dem letzten Schlag war, dachte ich mir nur: Diesmal schmeiße ich es nicht weg! Ich wusste eigentlich auch gar nicht, wie weit die anderen hinter mir waren. Ich hatte nur so ein Gefühl. Hier auf Sylt kannst du bei Vollspeed auf dem Foil nicht mal eben nach hinten schauen und die Lage checken. Ich hab einfach nur versucht, das Ding sicher nach Hause zu fahren. Als ich es dann geschafft hatte, war das ein großer Moment für mich.
Das ist surreal. Ein Jahr zuvor hatte ich so Leute wie Antoine Albeau, Mateo Iachino oder Maciek Rutkowski noch nicht mal persönlich getroffen. Mit ihnen gemeinsam zu racen, ist ein Traum. Gegen sie mal gewinnen zu können, ist etwas, was ich nie erwartet hätte.
Die meisten sind wirklich sehr freundlich und freuen sich, wenn neue Leute reinkommen und eine gute Performance zeigen. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir hier Neid oder Ablehnung entgegenschlagen.
Sylt ist sehr speziell, es hat viel Strömung – und sobald Wind ist, sind hohe Dünungswellen unterwegs. Schon beim Start ändert das vieles. Normalerweise musst du beim Start, zwingend auf die Sekunde genau, bei Null über die Linie. Hier auf Sylt bringt das nichts, wenn du dann gerade auf einem Wellenrücken hängst. Viel wichtiger ist es, die Startlinie auf einer Wellenvorderseite zu überqueren, zur Not halt eine Sekunde zu spät. Das macht den Start hier sehr schwierig. Ich bin gestern auch immer weit in Lee gestartet, dadurch hatte ich bei der ersten Halse eine Innenposition.
Ich trainiere meistens zu Hause in Arhus, teilweise auch auf dem olympischen iQFoil. Als Trainingspartner habe ich Freunde und ein paar ältere Racer, die auch World-Cup-Erfahrung haben. Auch wenn ich noch jung bin, bin ich doch schon auf vielen Wettkämpfen dabeigewesen, das hat mein Level enorm verbessert. Ich sauge die Erfahrungen aus jedem Wettkampf auf und versuche, was daraus zu lernen.
Ich gehe ja noch bis zum Sommer 2023 zur Schule, insofern werde ich mal wieder auf der kalten Ostsee trainieren. Aber danach möchte ich definitiv Vollprofi werden und die komplette PWA Tour mitfahren. Ich will irgendwann mal die Tour gewinnen und Weltmeister werden. Insgesamt ist meine Heimat aber ein super Ort zum Trainieren. Die Region östlich von Arhus bietet viel Wind und tolle Bedingungen. Es gibt dort eine große Szene – und viele Freerider und Racer auf dem Wasser. Wir haben dort auch eine iQFoil-Guppe.
Es ist als junger Fahrer nicht so leicht, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber mittlerweile habe ich gute Sponsoren gefunden, die mir sehr helfen. Andrea Cucchi (Gründer der Marke Point-7, die Red.) und Finian Maynard von FMX Boards unterstützen mich schon ein wenig länger – und seit Kurzem bekomme ich meine Foils von F4 Foils. Ich habe also das komplette Paket beisammen und kann voll angreifen. Zusätzlich habe ich ein paar kleinere lokale Sponsoren. Aber so ein Resultat wie gestern hilft natürlich (lacht). Hier auf Sylt hat man schon einen ordentlichen Fuhrpark beisammen. Ich hab vier Foilsegel von 5,8 bis 9,0 qm registriert mit zwei großen Foilboards, dazu zwei Slalomsegel mit 6,2 und 7,1 qm und zwei Boards für Finnen-Rennen bei sehr starkem Wind. Ohne Sponsoren wäre das nicht zu stemmen.
Das Problem beim olympischen iQFoil ist, dass man es ganz oder gar nicht machen muss. So nebenbei geht das eben nicht, dafür ist das Level im internationalen Vergleich zu hoch. Ich war im Sommer 2022 bei der EM und wurde Europameister in der Klasse der unter 21-Jährigen. Auch ein Gold Fleet Race (ohne Altersbeschränkung, die Red.) habe ich gewonnen. Aktuell mache ich iQFoil und PWA World Cup noch parallel. Aber ich muss gestehen, dass mein Herz aktuell etwas stärker für den World Cup schlägt. Anderseits wären Olympische Spiele natürlich etwas Einmaliges. Wir werden sehen, wohin die Reise geht. Ein weiteres Ziel von mir ist, bei meinen Sponsoren Teil des Entwicklungsteams zu werden. Ich möchte das Material nicht nur besser verstehen, sondern auch meinen Input geben, um es zu verbessern. Ein bisschen konnte ich bei Andrea Cucchi schon reinschnuppern.
Nein, überhaupt nicht. Ich sah einfach irgendwann auf Sardinien mal Windsurfer am Strand, dann wollte ich das auch. Mit zwölf Jahren habe ich einen Kurs in einem Club hier in Dänemark gemacht, mein Dad war auch dabei. Kurze Zeit später haben wir unser erstes eigenes Equipment gekauft. Endlich hatten wir etwas gefunden, wo wir all unser Geld reinstecken konnten (lacht).
Wie jeder Jugendliche hab ich auch mal ein bisschen gefreestylt. Aber je professioneller ich die Slalom-Disziplin betreibe, desto weniger Zeit bleibt mir hierfür. Weil Slalom bei quasi jedem Wind stattfinden kann, muss man sehr viel Zeit investieren, um das Material bei allen Windbedingungen perfekt abzustimmen. Natürlich ist das manchmal schade, aber Slalom macht mir natürlich auch viel Spaß.
Absolut! Schau dir iQFoil an. Wir reden hier von einer Einheitsklasse, alle nutzen gleiches Material. Trotzdem hast du hier nahezu unendlich viele Stellschrauben, mit denen du dein Equipment optimieren kannst. Im Slalom World Cup mit all dem Material auf dem Markt, sind die Stellschrauben nahezu grenzenlos. Dabei geht es nicht um so banale Dinge wie den Trimm oder die Brettgröße. Jetzt überlegt man irgendwann, in welchem Winkel man seine Foil-Flügel bei unterschiedlichen Bedingungen anstellt, wie hart die Segellatten in unterschiedlichen Bereichen des Segels sein sollten und so weiter. Andererseits muss man natürlich aufpassen, dass man sich nicht total verzettelt und in Details verliert. Das ist ein oft schwieriger Spagat.
Gestern zum Beispiel bin ich raus mit meinem besten Trimm, den ich meistens fahre. Nach dem ersten Vorlauf bin ich an Land und habe den Heckflügel des Foils etwas mehr angestellt, damit er mehr Auftrieb hat – und ich nicht mit der Nase oder der Luvkante in den hohen Wellen hängenbleibe, wenn ich diese von hinten überhole.
Gerade ist die Situation im World Cup so, dass die Finne in nahezu allen Windbereichen unterlegen ist. Der Topspeed auf der Geraden ist ähnlich, aber in den Halsen fährt man auf dem Foil einfach genauso schnell weiter und die Finne fällt zurück. Ich hoffe aber sehr, dass die Finne auch im World Cup nicht ausstirbt, denn das würde den Markt überhaupt nicht abbilden. Viele Hobbysurfer sind mit einer Finne an den meisten Tagen besser beraten. Sobald es ruppig oder wellig wird, wollen Leute wie etwa mein Papa nicht alles neu lernen und sich mit einem Foil massakrieren. Die Finne wird bei solchen Bedingungen immer Vorteile haben. Schau dir Rennen wie das Defi Wind oder die One Hour am Gardasee an. Die Finnenfelder sind viel größer. Es wäre ein großer Fehler, die Finne im World Cup zu eliminieren. Aber genau das wird passieren, wenn es keine Änderungen des Reglements gibt. Eigentlich sind das zwei Disziplinen, die man nicht in einen Topf schmeißen kann.