Tobias Frauen
· 25.01.2023
Wir steigen ins Archiv und werfen einen Blick in alte Ausgaben! Hier zeigen wir euch die besten Fundstücke, bemerkenswerte Test-Ergebnisse, skurrile Anekdoten und vieles mehr! In dieser Folge geht es zurück ins Jahr 1992!
Segel, Segel und noch mehr Segel - ganze 73 Tücher hatte das surf-Team für das März-Heft 1992 getestet. Großes Thema war das Handling, auch im Hinblick auf Camber. Schon im Vorwort machten Chefredakteur Gerd Kloos und Testleiter Kutte Priessner Werbung für modernes Material: “Sport braucht Entwicklung, wo’s keine gibt, herrscht Grabesruhe. Die Einheitsklassen beim Segeln sind abschreckende Beispiele. Dort wird jede Segellatte reglementiert, und deswegen sind diese Klassen auch Veteranentreffs!”
Was? Wer wurde gestürzt? Die Ankündigung auf dem surf-Cover macht neugierig, dahinter verbirgt sich eines der ikonischsten Bilder des Sports: Björn Dunkerbecks Riesenfelge im Gabelbaum wird auf insgesamt sieben Seiten detailliert gezeigt und beschrieben. Eine Sequenz, die jahrelang im Vorspann der PBA-/PWA-Videos dabei war und millionenfach gesehen wurde. “Ich habe schon viele Stürze gebaut, aber dieser war eine von den besseren” kommentierte Björn seinen Abgang vor Hookipa. “Ich wollte einfach nicht loslassen. [...]Ein Brett ohne Surfer auf dem Felsen macht keinen Sinn.”
73 Segel aus sieben Gruppen hat das surf-Testteam in Safaga über Rote Meer geprügelt. Wie schon im Editorial angekündigt, hat das Material damals einen großen Schritt gemacht: Loose Leech muss noch erklärt werden, außerdem werden für die nötige Vorlieksspannung Trimmhilfen und Umlenkrollen benötigt - heutzutage schon lange Standard. Passenderweise gibt es 1992 auch ein großes Aufbau- und Trimm-Tutorial. Den persönlichen Testsieger kann sich jede Leserin und Leser per “Präferenzmatrix” selber ermitteln. Hingucker waren beispielsweise die flatternden Zacken am Achterliek des Gaastra Heat Wave und das Schaumprofil an der Masttasche des Five Star Race Slalom Wing (”herausragendes Merkmal ist seine schlechte Verarbeitung”). Auch in Sachen Materialien ist eine Zeitenwende zu beobachten: Ob und wieviel Monofilm verbaut ist, unterscheidet sich stark.
Auffällig: Schon bei Euro-Wave-Segeln waren damals teilweise Camber verbaut, ab den Wave-Slalom-Segeln gehören die Spangen fast dazu. Die Umsetzungen sind sehr verschieden: North Sails hat die jahrelang gelobten Soft-Camber, bei Gaastra kann man die Camber während des Surfens (!) verstellen. Damalige Race-Camber sind von der Funktionsweise schon sehr nah an heutigen Cambern - bringen allerdings allzu häufig ein Horror-Handling mit: “Schon das Ausrollen eines Cambersegels rief bei anderen Surfern so viel Mitleid hervor, daß sie spontan ihre Hilfe beim Aufriggen anboten.”
Der Schweizer Christian Herles war 1992 Boss der PBA, Vorgänger der PWA. surf hat den “Chefhektiker” einen Tag lang begleitet und über seine großen Pläne für den Worldcup ausgefragt. Der ehemalige F2-Teamchef hatte nach dem Aus des Hersteller-Worldcups den Posten des Chairman der neuen PBA übernommen und jettete damals um die Welt, um Sponsoren-Gelder einzusammeln “23 Millionen Dollar habe ich heuer organisiert, [] hintendran hängen nochmal 20 bis 30 Millionen, die nur in Fahrer und Medien gehen!”. Dazu fliegt er nach Paris (”100 Kilo Austern und Weißwein!”), Portugal, in die USA und wieder zurück (”am 6. mal wieder in Basel, um meine Freundin zu streicheln.”). Er will Windsurfen zur “Mittelsportart” machen und belagert TV-Manager, damit Windsurfen im Fernsehen läuft. Herles beizeichnet sich selbst als “Cross-Culture-Manager” und will mehr “Blood and Tears” für die Medienwirksamkeit. 1996 war die PBA dann überschuldet und pleite.