Tobias Frauen
· 13.05.2023
Wir steigen ins Archiv und werfen einen Blick in alte Ausgaben! Hier zeigen wir euch die besten Fundstücke, bemerkenswerte Test-Ergebnisse, skurrile Anekdoten und vieles mehr! In dieser Folge geht es zurück ins Jahr 1978!
Die surf-Ausgabe im Juni 1978 - knapp ein Jahr nach dem allerersten Heft - ist die erste Nummer nach zwei bedeutenden Ereignissen. Dazu müssen wir noch einen Schritt zurückgehen und einen Blick in das zuvor erschienene Mai-Heft werfen. Damals wurden surf und das Magazin “Windsurfing” zusammengelegt, für einige Zeit sollte danach noch der alte Schriftzug auf dem Titel prangen. Peter und Chris Brockhaus, die Gründer von “Windsurfing”, schrieben in einem Einhefter im Mai 1978, dass sich zwei Magazine auf dem deutschen Markt nicht rentieren würden und sie deshalb Leser und Abonnenten an die surf verweisen: “Sein Niveau gewährleistet, daß auch nach dem Wegfall unseres Magazins als Konkurrenz weiterhin ein augezeichnetes Magazin für unseren Sport erscheint!”
Das zweite Ereignis wurde im Mai-Heft nur in letzter Sekunde per Schreibmaschine auf den oben bereits erwähnten Einhefter gehackt: “Letzte Meldung: Patent erteilt! [...] Das Deutsche Patentamt in München hat sich am 31. März 1978 endgültig entschieden, dem Lizenzinhaber Hoyle Schweitzer den vollen Patentschutz auf das ‘Rigg für ein Segelbrett’ für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen!” Eine genauere Betrachtung folgt dann, wie angekündigt, im Juni-Heft.
surf befürchtete richtig: Das Patent für Hoyle Schweitzer führte in den Folgejahren zu einer Prozesslawine (allein in der Ausgabe 5/1982 wird von vier Prozessen berichtet) und machte das Angebot an Brettern deutlich kleiner. Dabei gilt es weder für das Mastfußgelenk noch für den gegabelten Baum, sondern für das Konzept des “unverstagten” Riggs, das nur mit den Händen gehalten wird. Die Konkurrenz sucht nach Schlupflöchern, eine Variante wäre dabei ein neu erfundener Ersatz für den Gabelbaum, mit dem man das Patent umgehen könnte. Einzelne Windsurfer sind aber nicht betroffen, egal was für ein Brett sie privat nutzen. Wer ein Brett im Ausland kauft und nach Deutschland bringt, macht sich jedoch streng genommen strafbar. Auf der Heft-Rückseite wirbt TenCate - die als eine der wenigen eine Lizenz haben - dann auch: “Auf die Schutzmarke achten!”
Der Rest der Branche reagiert jedoch noch relativ gelassen und kündigt in einer Umfrage an, entweder Lizenzgebühren zahlen zu wollen oder sich gemeinschaftlich gegen das Patent zu wehren. Andere loten die Möglichkeit eines Direktvertriebes aus dem Ausland oder den Verkauf mit Depots hinter der Grenze aus. Denn auch wenn das Patent nur für Deutschland gilt, so geht die Entscheidung nicht spurlos an den Marken vorbei, denn die Bundesrepublik stellt rund 40% des Weltmarktes dar. In einem Kommentar appelliert surf-Gründer Ulrich Stanciu an Hoyle Schweitzer, offen mit dem Patent umzugehen und die Entwicklungsarbeit zahlreicher kleinerer Firmen wertzuschätzen. Allein: Von den genannten Marken und denen im Test (siehe unten) waren schon wenige Jahre später die meisten verschwunden.
Heute ein gewohnter Anblick, 1978 “geraten einige andere Surfer an den Rand des Herzinfarktes”: Beim Smirnoff Cup vor Schilksee wird der schnellste Windsurfer gesucht und bekommt beachtliche 3000 Mark Preisgeld. Weil weder gewendet noch Höhe gelaufen werden muss, treten einige Teilnehmer mit abenteuerlichen Konstruktionen an. Niko Stickl baut eines der ersten foilenden Boards, Clive Colenso geht mit einer Art Spinnaker baden, der entfernt an heutige Wings erinnert. Andere treten mit Mini-Katamaranen an oder wollen einen Wasserski in voller Fahrt vom Brett lösen. Spektakuläre Gefährte, doch am Ende erweisen sich herkömmliche Konstruktionen als die schnellsten.
Aus 66 Neuheiten des Jahres hatte sich die surf 23 Bretter herausgepickt, die in einem großen Vergleich 14 Tage lang auf der Ostsee vor Schilksee getestet wurden. Es sollte vorerst der letzte große Test dieser Art sein, das Patent schränkte den Spielraum in den folgenden Jahren deutlich ein. Im Frühjahr 1978 fielen vor allem viele nicht ausgereifte Details ins Auge: “Klappschwerter, die nicht klappen, Gabelbäume, die mangels Ausschäumung voll Wasser liefen und Holzschwerter, denen nicht nur der letzte, sondern auch schon der erste Schliff fehlte” wurden bemängelt. Einige Bretter liefen voll Wasser, anderswo brachen Finnen, Masten und Schwerter. Ein damals wichtiges Kriterium: Bei wie viel Zug löst sich der Mastfuß vom Brett, und ist diese Auslösekraft einstellbar? Aus heutiger Sicht auffällig (und auch damals schon ein Exot): Der “Solar Star” mit festem - aber schiefem - Kiel. Andere Bretter sind aus Gewichtsgründen teilweise hohl.
Das gesamte Heft gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!