Wieder so ein Riesen-Heft! Ab Mitte der Neunziger gab es die surf in einem fast tageszeitungsähnlichen Format, auf jeder Seite locker drei Zentimeter größer als spätere Formate.
Einen höchst detaillierten Spotguide widmet die surf dem Gardasee. Eigentlich ist über dieses Revier alles gesagt worden, könnte man meinen, doch so viele Geheimtipps an einem Ort bekommt man sonst wohl nur spätabends in den Tavernen von Torbole - und deren Wahrheitsgehalt sinkt mit zunehmender Promillezahl. “Zwischen Torbole Yachthafen und Galerie haben Tausende Tedesci gelernt, was ein Spinout ist, sind auf der Flaniermeile im Hotel Pier in den Fußschlaufen heimisch geworden”, schreibt Chefredakteur Gerd Kloos über die Liebe der Deutschen zum Lago. Schon Goethe jubelte über “das Land, wo die Zitronen blühen”. Für unsereins wesentlich reizvoller ist da das zuverlässige Windsystem, wobei Locals drauf schwören, dass es früher stärker geweht hat. “Ehemaliger Starkwind mit drei Buchstaben?” ist damals ein Running Gag unter den Surflehrern. “Doch das war damals, als man ein Sechseinhalber Segel der Gorch Fock geschenkt hätte”, schreibt Kloos weiter. Am Pier habe man jedes Brett über 250 Zentimeter für einen Bootssteg gehalten und das Gebäude mit den Worten “Die Ora kommt!” innerhalb weniger Minuten evakuieren können.
Im surf-Test geht es um das zentrale Thema aller Funboarder, das Gleiten. Mit aufwändigen Vergleichen findet surf heraus: Das beste Gleit-Board ist 2,90 Meter lang und hat 120 Liter. Kleinere Bretter haben zu wenig Auftrieb, größere zu viel Masse. Zudem gibt es Tabellen für die optimale Finnen-Größe und eine spacige 3D-Grafik im Neunziger-Jahre-Design, um die passende Segelgröße zu finden.
Ganz viel Fahrtechnik in einem Heft: Als Classic Move wird die Race Jibe gezeigt - auch heute noch immer ein Hingucker! Die Worldcupper Nik Baker und Natalie Siebel zeigen, wie man nach Sprüngen landet. Heck zuerst ist der sichere Klassiker, ein Nose Dive sieht spektakulärer aus, kostet aber auch Überwindung. Ungleich praktischer ist da der große Ratgeber, wie man bei eingeschlafenem Wind auch auf einem kleinen Brett wieder nach Hause kommt. Diese wackelige Dümpelei hat wohl jeder schon mal mitmachen müssen.
Beim Windsurf Cup auf Fehmarn siegt Bernd Flessner überlegen, dank der “Wunderwaffe” VX von Segelsponsor NeilPryde. Überhaupt die Segel: Bei Leichtwind schrauben Hersteller und Fahrer Mitte der Neunziger die Größen nach oben. “Wer konnte, riggte ein 7,8er auf. Didi Kornelli griff gar zum 8,3er” schrieb surf. Ein 7,8er sei inzwischen so einfach zu fahren wie ein 7,0er, konstatiert Knut Budig, und Andy Laufer - der die ganze Veranstaltung ein “bisschen langweilig” fand - sieht im nächsten Jahr dann die 8,5er kommen.
“Mir gefällt es zu gewinnen, aber du sollst immer noch einen guten Tag haben und darfst nicht zu verkrampft sein” - das sagt Francisco Goya, der 1995 von surf-Autor Bernd Zerelles als Newcomer vorgestellt wird. Schon damals beeindruckt die ruhige, zurückhaltende Art des Argentiniers genauso wie sein Style auf der Welle. “Ich glaube, jeder der hier in Hookipa rumfährt hat den Traum, einmal Waveriding-Weltmeister zu sein. Jeder” gibt er dennoch zu - und wir wissen, dass Goya mit seinem Stil eine ganze Generation prägte und fünf Jahre später seinen Traum erfüllen sollte.
Franciscos Weg von einem Fluß in Argentinien, dem Sprung nach Maui, wo er sich erst mit Nebenjobs durchschlagen musste, und den ersten Sponsorings von Naish und Chiemsee liest sich wie ein Märchen. Heute, nach WM-Titel und Gründung der eigenen Firma, gehört Goya zu den einflussreichsten Menschen im Surf-Business. Doch er sagt damals auch: “Ich möchte kein Leader sein. Du verlierst zu viel: Die Leute werden eifersüchtig, sind dir gegenüber nicht mehr offen, erwarten immer die richtige Antwort und wollen sich nach dir richten. Nein, das mag ich nicht!” Sein Erfolg und das große Ansehen, dass er genießt, gibt ihm recht!
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